NSU-ProzessGenug Fragen und Warten

Das Gericht sollte sich Zschäpes Strategie nicht weiter beugen.

Von Annette Ramelsberger

Im Sommer vergangenen Jahres kündigten die Anwälte von Beate Zschäpe an, dass ihre Mandantin endlich reden werde. Die Hoffnung der Angehörigen der NSU-Opfer war groß, sie könnten doch noch erfahren, warum ihr Kind, ihr Mann, ihr Bruder sterben musste. Dass sie Auskunft darüber erhalten, wer dem NSU geholfen und wer von den Morden gewusst hatte. In der Nacht, bevor Zschäpe ihre Erklärung im Winter 2015 abgab, hatte sich eine Schlange vor dem Gericht gebildet, so gespannt waren die Zuschauer.

Wenn Zschäpe jetzt wieder einmal Antworten ankündigt, wartet niemand mehr. Die Hoffnung, von ihr Erkenntnisse über die Hintergründe der Morde zu bekommen, ist geschwunden. Auch das Gericht erhofft sich von ihr offenbar keinen substanziellen Beitrag mehr zur Aufklärung. Zu unlogisch, zu hanebüchen sind ihre bisherigen Erklärungen.

Dennoch macht das Gericht immer weiter in diesem wie in Zeitlupe laufenden Pingpongspiel aus Fragen und Antworten. Zschäpe antwortet nur schriftlich, sie bereitet sich dafür wochenlang mit ihren Anwälten vor - ein Novum in deutschen Gerichtssälen. Das Münchner Oberlandesgericht unterwirft sich dieser Prozedur nur, damit der Bundesgerichtshof in der Revision nicht kritisiert, man habe nicht alles zur Ermittlung der Wahrheit versucht. Irgendwann trägt diese Furcht vor der Revision aber nicht mehr: Ein Jahr lang fragen und warten muss genügen.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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