NSU-Prozess:Genug Beweise nach 373 Tagen

Im NSU-Prozess beginnen am Mittwoch die Plädoyers. Die Bundesanwälte rechnen damit, 22 Stunden für ihren Schlussvortrag zu brauchen. Doch bis zu einem Urteil werden noch viele Monate vergehen.

Von Wiebke Ramm

Die Sätze, auf die die meisten Verfahrensbeteiligten im NSU-Prozess seit Wochen gewartet haben, fallen am Nachmittag. "Wir würden dann morgen zu den Schlussvorträgen kommen", sagt Richter Manfred Götzl am Dienstag, dem 373. Verhandlungstag. Formal beendet Götzl die Beweisaufnahme wenig später. "Dann schließe ich jetzt die Beweisaufnahme", sagt er - und vernuschelt ausgerechnet diesen bedeutsamen Satz. Damit wird nach gut vier Jahren Verhandlungsdauer am Mittwoch die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht München mit ihrem Schlussvortrag beginnen.

Die Bundesanwälte rechnen damit, 22 Stunden für ihren Schlussvortrag zu brauchen

Mehreren Opferanwälten geht das dann doch zu schnell. Sie bitten das Gericht, die Plädoyers mögen erst kommende Woche beginnen. Ihre Mandanten müssten die Möglichkeit haben - zum Teil aus der Türkei - anzureisen. Von heute auf morgen sei das nicht machbar. Doch Götzl bleibt hart. Er verlegt lediglich den Beginn von 9.30 Uhr auf elf Uhr. Die Nebenklagevertreter nehmen es hin.

"Sollte heute die Beweisaufnahme geschlossen werden, können wir morgen anfangen", hatte Bundesanwalt Herbert Diemer schon am Vormittag gesagt. Er und seine beiden Kollegen, Anette Greger und Jochen Weingarten, bräuchten für ihr Plädoyer 22 Stunden. Das sind etwa fünf Verhandlungstage. Bis zur Sommerpause vom 2. August an gibt es noch sieben Verhandlungstermine. Götzl will, dass die Bundesanwaltschaft vor den Ferien fertig wird. Von 31. August an dürften dann erst die Nebenklagevertreter, dann - Wochen später - die Verteidiger plädieren. Bis zum Urteil werden noch Monate vergehen.

Beate Zschäpe ist unter anderem wegen Mittäterschaft an zehn vorwiegend rassistisch motivierten Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen angeklagt. Vier weitere Angeklagte müssen sich wegen Beihilfe zum Mord oder Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor Gericht verantworten.

Das Gericht hat vor Beginn des Plädoyers noch über einen Antrag von Zschäpes Verteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm zu entscheiden. Die Anwälte beantragten, das Plädoyer der Bundesanwaltschaft auf Tonband aufzunehmen. Die Verteidiger aller anderen Angeklagten schlossen sich dem Antrag an - sogar Zschäpes jüngster Verteidiger, Mathias Grasel, der selten einer Meinung mit Heer, Stahl und Sturm ist. Bundesanwalt Diemer lehnte das Begehr ab. Die Anwälte könnten mitschreiben. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus.

Zuvor hatte der Senat den Antrag von Heer, Stahl und Sturm abgelehnt, ein weiteres Gutachten über Zschäpe erstellen zu lassen. Götzl trug vor, warum er das Gutachten von Psychiater Henning Saß für methodisch einwandfrei und Saß für überaus kompetent hält. Ein eigener Gutachter der Verteidiger, Psychiater Pedro Faustmann, hatte fachliche Mängel in dem Gutachten festgestellt. Das Gericht folgte dessen Einschätzung nicht. Saß hält Zschäpe für psychisch gesund, voll schuldfähig und weiter gefährlich - er ebnete damit den Weg für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung.

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