NSU-Prozess:Geheimnisvolle Markierungen

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Was bedeutet das Kreuz bei der Kleingartensiedlung? Vor Gericht kommen angesengte Stadtpläne auf den Tisch.

Von Annette Ramelsberger, München

Die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren viel unterwegs, auf langen Reisen durch Deutschland, um Tatorte auszuspähen. Sie haben dafür Stadtpläne benutzt. Im Gericht wurden am Donnerstag angekokelte Karten gezeigt, von Stuttgart, Plauen, Greifswald, Chemnitz, Nürnberg und Kiel. Herausgezogen aus dem Brandschutt des Hauses, in dem die Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit ihren beiden Männern gewohnt hatte.

Die Stadtpläne sind angesengt, aber lesbar. Und auf ihnen finden sich viele Kreuze, Kreise, Linien. Die Standorte von Banken sind da eingezeichnet, dünne Linien von dort durch Parkanlagen sehen wie Fluchtwege aus. Das ist noch einfach. Aber was bedeutet das Kreuz bei einer Hühnerfarm am Rande von Chemnitz? Die Markierung an einer Kleingartensiedlung?

Das Bundeskriminalamt hat mit dem Geschäftsführer der Hühnerfarm geredet, in den Kleingartenkolonien nach ungenutzten Parzellen gefragt. Ergebnis: nichts. Sie können sich auch nicht erklären, warum auf den Plänen ein unscheinbares Denkmal für einen Widerstandskämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg markiert ist, ein 50 Zentimeter hoher Stein. Und auf keinen Fall wissen sie, warum es so viele Markierungen in kleinen Dörfern rund um Chemnitz gab. In Orten, wo nichts verborgen bleibt. "Da fällt sofort auf, wenn man etwas macht, was man nicht machen sollte", sagt die ermittelnde Beamtin vom BKA. "Ich habe eine Bananenschale in den Mülleimer eines Hauses geworfen, da wurde ich sofort ermahnt."

Klarer wird es in Dortmund. Dort hat Uwe Mundlos, von ihm stammen die Notizen wahrscheinlich, über einen Stadtplan der Dortmunder Nordstadt geschrieben: Wohngebiet wie Mülheim Köln. "Das ist für uns ein offensichtlicher Verweis auf die Keupstraße in Köln, wo es dann zu dem Anschlag gekommen ist", sagt die Beamtin. In Köln-Mülheim verübte der NSU im Juni 2004 ein Nagelbombenattentat mit 22 Verletzten. Das BKA geht davon aus, dass eine Ausspähreise des NSU für einen Anschlag auch nach Dortmund führte. Dort wurde bereits am 4. April 2006 der Kioskbesitzer Mehmet Kubasik ermordet. Zuvor schon hatte der NSU ein Ziel in der Nähe gefunden, an der Kreuzung Uhland- und Goethestraße. Auf ihre Karten notierten sie vor dem Mord: "Gutes Objekt und geeigneter Inhaber".

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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