Opferanwalt Mehmet Daimagüler kommt an diesem Tag zunächst nicht weit. Schon nach wenigen Minuten unterbricht Beate Zschäpes Verteidigung die Fortsetzung seines Plädoyers im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Am Mittwoch hatte Daimagüler der Bundesanwaltschaft mangelnden Aufklärungswillen vorgeworfen. Nun will der Anwalt der Familien zweier Mordopfer über Rassismus sprechen.
NSU-Prozess:Der V-Mann-Verdacht
Anwälte der Nebenkläger im NSU-Prozess glauben, dass bislang unerkannte Täter noch frei herumlaufen. Nun präsentieren sie eine Erklärung.
Er sagt: "Rassismus - schon das Wort allein führt zu Abwehrreaktionen. Sobald dieses Wort fällt, wird umgehend abgestritten, relativiert, beschwichtigt." Er sagt auch: "Nicht der Rassismus selbst scheint das Problem zu sein, sondern das Thematisieren desselben." Da meldet sich Verteidiger Wolfgang Heer zu Wort: "Ich muss erneut beanstanden. Das ist eine politische Rede. Das hat hier im Gerichtssaal nichts zu suchen."
Es kommt zu einem Wortgefecht zwischen Opferanwälten und Verteidigern. Was darf Inhalt eines Plädoyers sein? Was nicht? Daimagülers Ausführungen seien "sachfremd", sagt Verteidiger Wolfgang Stahl. "Das, was ich hier vortrage, ist die ungefilterte Sicht der Überlebenden des NSU, meiner Mandanten. Sie werden diese Stimmen nicht zum Verstummen bringen", entgegnet Daimagüler. An die Verteidiger gewandt sagt Opferanwalt Sebastian Scharmer: "Dass Rassismus in diesem Verfahren eine Rolle spielt, haben Sie mitbekommen, oder? Sie haben schon mitbekommen, worum es hier geht?"
Auch der Senat und die Bundesanwaltschaft halten Daimagülers Ausführungen für zulässig. "Herr Daimagüler begründet, warum sich der Inhalt der Hauptverhandlung nicht mit seinen Vorstellungen und denen seiner Mandantschaft deckt", sagt Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten. Und das dürfe er. Heer fordert einen Gerichtsbeschluss. Nach einer Pause verkündet der Vorsitzende Richter: "Der Antrag, Herrn Daimagüler wegen seiner Ausführungen zum institutionellen Rassismus das Wort zu entziehen, wird abgelehnt." Prozessbeteiligte hätten "größtmöglichen Freiraum" in der Gestaltung ihrer Plädoyers.