Die Mörder von Halit Yozgat gingen ein großes Risiko ein, entdeckt zu werden. Am 6. April 2006 erschossen sie den 21-Jährigen in einem Internetcafé in Kassel. Die Ermittler sind davon überzeugt, dass die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Täter waren. In dem verwinkelten Laden hielten sich zur Tatzeit mehrere Kunden auf. Sie hätten die Täter stören und verraten können. Doch niemand will den Mord an dem jungen Betreiber des Geschäfts gesehen haben.
Immer wieder geht es im NSU-Prozess darum, die Abläufe in Kassel zu rekonstruieren. Nah dran am Geschehen war damals ein Asylbewerber aus dem Irak, Hamadi S.. Er telefonierte in einer Telefonkabine, nicht weit entfernt von dem Tresen, hinter dem Halit Yozgat erschossen wurde. Hamadi S. ist also ein wichtiger Zeuge - doch er lebt nicht mehr in Deutschland, sondern wieder im Irak. Vor Gericht muss deshalb am Dienstag ein Kriminalbeamter aus Hessen ausführen, was Hamadi S. in einer Vernehmung nach der Tat ausgesagt hat.
Zunächst war der Iraker als Beschuldigter geführt worden, sein Aufenthalt direkt bei dem Opfer hatte ihn verdächtig gemacht. Doch schnell löste sich der Verdacht auf, und der Polizist bezeichnet die Angaben des Irakers als "glaubwürdig". Demnach kam Hamadi S. am Tattag kurz vor 17 Uhr in das Internetcafé, um dort insgesamt vier Telefonate zu führen. Er benutzte eine Telefonkarte und musste dafür einen langen Code eingeben. Damit sei er stark beschäftigt gewesen.
Die Telefonkabine war zudem behängt mit großen Postern, die dem Iraker die Sicht versperrten. Er stand mit dem Gesicht zur Wand, weil das Telefon entsprechend angebracht war. Das alles kann erklären, warum Hamadi S. die Täter nicht hat kommen sehen. Er berichtete allerdings von mehreren auffälligen Geräuschen. Es habe sich wie das Platzen eines Luftballons angehört, dann habe es auch einen dumpfen Knall gegeben. Das eine könnte ein Schuss gewesen sein, das andere der Moment, als das Opfer auf den Boden fiel.
Hamadi S. will aus den Augenwinkeln einen Mann gesehen haben, der den Laden verließ. Er beschrieb den Mann als etwa 1, 80 Meter groß, kräftig, mit heller Kleidung und eventuell längeren Haaren. Die Beschreibung könnte auf Mundlos oder Böhnhardt passen, allerdings trugen diese vermutlich kein langes Haar und waren eher athletisch und schlank als kräftig.
Die Beschreibung könnte auch zu Andreas T. passen, ein hessischer Verfassungsschützer, der ebenfalls rund um die Tatzeit in dem Internetcafé Kunde war und deshalb zeitweise unter Mordverdacht stand. Bis heute ist dessen Rolle ungeklärt, viele Nebenkläger halten es für unwahrscheinlich, dass Andreas T., wie er seit Jahren beteuert, nichts von dem Mord mitbekommen haben will. Andreas T. hat vor Gericht gesagt, er habe, als er bezahlen wollte, Halit Yozgat nicht hinter der Ladentheke gefunden, daraufhin habe er 50 Cent auf den Tisch gelegt und sei gegangen.
Auch Hamadi S. sagte bei der Polizei, er habe den auf dem Boden liegenden Yozgat nicht bemerkt, als er mit dem Telefonieren fertig war. Er habe zunächst auch kein Blut auf dem Tresen gesehen. Zu dem Zeitpunkt muss das Opfer aber bereits erschossen hinter dem Tisch gelegen haben. Der Iraker ist nicht besonders groß, so dass es möglich ist, dass er von seinem Standpunkt aus den Körper von Halit Yozgat übersehen konnte.
Andreas T. hingegen ist größer, weshalb die Ermittler den Verdacht hatten, er müsste das Opfer hinter dem Tresen gesehen haben, wenn es dort bereits lag, als der Verfassungsschützer das Geld ablegte. Entdeckt wurde der niedergeschossene Halit Yozgat schließlich, als dessen Vater kurz nach 17 Uhr in den Laden kam, um seinen Sohn abzulösen. Der Iraker Hamadi S. befand sich noch im Laden, aber die Täter waren fort.