NSU-Prozess:Beinahe geschnappt

Die Angeklagte Beate Zschäpe berichtet von einer Polizeikontrolle, in die das NSU-Trio mit gestohlenem Autokennzeichen geriet - und trotzdem weiterfahren konnte. Auch wo sie ihr Geld versteckte, lässt sie den Anwalt erzählen.

Von Annette Ramelsberger

Beate Zschäpe muss eine gute Nachbarin gewesen sein. Hilfsbereit, freigiebig. Für den Tierarztbesuch der herrenlosen Siedlungskatze spendete sie 50 Euro, für die ewig klamme Nachbarin zahlte sie den Einkauf zum Monatsende. Nun weiß man auch, warum Zschäpe so spontan zahlen konnte. Brauchte sie Geld, dann ging sie in den Abstellraum ihrer Wohnung. Dort stand eine Geldkassette, in der hatten sie und ihre Gefährten immer 5000 bis 10 000 Euro deponiert. "Um die Anschaffungen des täglichen Lebens zu finanzieren", wie sie ihren Anwalt Hermann Borchert das so schön formulieren ließ.

Das Geld, gab Zschäpe am Donnerstag im NSU-Prozess zu, kam aus den Banküberfällen ihrer beiden Männer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Es scheint immer genug vorhanden gewesen zu sein: Als die beiden zu ihrem letzten Raubüberfall loszogen, hatten sie mehr als 40 000 Euro dabei. Sie nahm sich immer Geld aus der Kassette und wenn sie mehr brauchte, dann habe sie nur die Männer fragen müssen, ließ Zschäpe antworten. Ein wohl formulierter Satz - denn das bedeutet, dass sie nicht selbst die Kontrolle über das Geld hatte, wie einige Zeugen berichtet hatten.

In Zschäpes Erklärungen geht es um Halbsätze, um scheinbare Nebensächlichkeiten, die dennoch viel bedeuten können. So wie auch die Urlaubsbilder, die am Tag zuvor im Gericht angesehen wurden. Bilder von einem harmonischen Urlaub, Böhnhardt legt seinen Kopf an Zschäpes Schulter, nimmt sie in den Arm, sie gehen Hand in Hand in Kiel am Kai entlang, Mundlos fotografiert. Im Campingwagen, wo sie übernachten, zieht Zschäpe ihrem Freund lachend die Bettdecke weg. Eigentlich harmlos - aber gerade sechs Wochen zuvor hatten die beiden Männer den Nagelbombenanschlag in Köln verübt. Zschäpe hatte berichtet, ihr Verhältnis zu den beiden sei danach erkaltet.

Doch am Donnerstag geht es vor allem ums Geld. Zschäpe lässt berichten, wo noch überall Geld versteckt war in der Wohnung: Mundlos hütete seine Scheine hinter einem Schrank, Böhnhardt deponierte sein Geld im Bettkasten. Nur sie selbst, so sagt sie, habe nichts in ihrem Zimmer gehortet. Auch das ist im Sinne der Verteidigung wieder folgerichtig. Denn Zschäpe stellt sich selbst ja als abhängige Frau in diesem Haushalt dar.

Der Mitangeklagte Holger G. habe von den Banküberfällen gewusst

Schwierig sind die Aussagen Zschäpes für Holger G., den Mitangeklagten. Sie sagt, auch ihren alten Kumpel Holger hätten sie eingeweiht, dass sie von Banküberfällen lebten. Er hatte gesagt, er habe seine alten Freunde eben nur für Freunde gehalten, aber nicht für ein mörderisches Trio. Zu diesem Holger G. nach Hannover fuhren die drei dann auch, als sie sich in Chemnitz nicht mehr sicher fühlten. So lässt Zschäpe das erzählen. Im Fernsehen hatte sie die Sendung "Kripo live" gesehen, in der nach ihnen gefahndet wurde. Deswegen hofften sie, Holger G. könnte ihnen in Hannover eine Bleibe beschaffen. Doch dort kamen sie in eine Drogenkontrolle. Mundlos wies sich mit dem Ausweis eines Freundes aus und kam durch. Auch das Auto wurde per Computeranfrage überprüft. Zschäpe ließ berichten, sie habe befürchtet, festgenommen zu werden, denn die Kennzeichen seien gestohlen gewesen. Aber dann hätten sie weiterfahren können.

Richter Manfred Götzl scheint nun in die Zielgerade einbiegen zu wollen. Er lehnte diese Woche eine ganze Reihe von Anträgen ab, darunter auch den, einen ehemaligen V-Mann des Verfassungsschutzes als Zeugen zu laden. Er soll Mundlos und Zschäpe in seinen Firmen beschäftigt haben. Offenbar ist dem Gericht nun das Umfeld des NSU genügend aufgeklärt. Auch die Ladung von Zeugen aus dem Verfassungsschutz hat es abgelehnt. Der Senat ziehe nicht den Schluss, "dass staatliche Mitverantwortung zu den angeklagten Taten bestehe".

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