NSU-Prozess:Attacke der Verteidiger

Eigentlich sollen sie gemeinsam die Rechte der Angeklagten Zschäpe vertreten. Doch die fünf Anwälte der mutmaßlichen Terroristin sind heillos zerstritten.

Von Wiebke Ramm

Im NSU-Prozess ist der Streit unter den Verteidigern von Beate Zschäpe nun offen ausgebrochen. Eine "Unverschämtheit" nannten die Anwälte Hermann Borchert und Mathias Grasel in einem Schreiben an das Münchner Oberlandesgericht den Vorwurf der Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, sie hätten womöglich wahrheitswidrig im Namen Zschäpes gehandelt. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Zschäpe hatte am Freitag in einem Brief an Richter Manfred Götzl mehrere Befangenheitsanträge gegen ihn und einen Beisitzenden Richter zurückgenommen, die Heer, Stahl und Sturm in ihrem Namen gestellt hatten. Die mutmaßliche NSU-Terroristin behauptet, diese seien ohne ihr Wissen gestellt worden. Die drei Anwälte widersprachen am Sonntag in einem Schreiben an das Gericht. Darin stellen sie dar, wie sie zuvor Rücksprache mit Grasel gehalten hätten. Nach ihrer Darstellung lügt entweder Zschäpe, weil sie von den Anträgen wusste, oder Grasel, weil er wahrheitswidrig Zschäpes Zustimmung bestätigte.

Borchert und Grasel werfen den drei Verteidigern nun eine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht vor. Heer, Stahl und Sturm hatten gegenüber dem Gericht die Kommunikation mit Borchert und Grasel offengelegt. Sie berichteten aus Telefonaten und Gesprächen und zitierten aus einer E-Mail von Grasel. Zschäpe verweigert seit eineinhalb Jahren das direkte Gespräch mit ihren drei Altverteidigern. Für Absprachen sind sie daher auf Borchert und Grasel angewiesen.

Die Angeklagte verhängt eine Art Arbeitsverbot für drei ihrer Anwälte

Zu den inhaltlichen Vorwürfen selbst schreiben Borchert und Grasel dem Gericht, sie dürften sich dazu aufgrund ihrer eigenen Schweigepflicht nicht äußern. Sie tun es an späterer Stelle allerdings doch, indem sie "mit allem Nachdruck" den Vorwurf zurückweisen, sie hätten ihre Kollegen "mit der Unwahrheit bedient" oder wahrheitswidrig behauptet, eine Art Generalvollmacht von Zschäpe zu haben. Hat demnach also Zschäpe in ihrem Brief gelogen, als sie schrieb, sie habe von nichts gewusst? Dazu äußern sich Borchert und Grasel nicht.

Hohe Hürde

Beate Zschäpe und ihre Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm werden wohl nicht voneinander loskommen. Mehrmals haben die Anwälte und auch Zschäpe selbst die Entpflichtung beantragt, doch die Gründe für ein angeblich zerrüttetes Vertrauen überzeugten das Gericht nicht. Die Hürden für die Entlassung eines Pflichtverteidigers sind hoch: Das Vertrauensverhältnis muss vollends zerstört sein. Eine feste Definition dafür gibt es nicht, die Entscheidung darüber obliegt allein dem Gericht. Was Zschäpe nicht gelungen ist, schaffte etwa Frank S., der das Attentat auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker verübt hatte. Das Gericht entließ einen seiner Pflichtverteidiger. Eine Freundin von S. hatte behauptet, der Anwalt habe sie belästigt und dazu E-Mails vorgelegt. SZ

Als Konsequenz aus dem Vorgang haben Heer, Stahl und Sturm schon am Sonntag ihre Abberufung als Pflichtverteidiger beantragt. Und auch Zschäpe will nichts mehr mit den drei Verteidigern zu tun haben. In ihrem Schreiben an Götzl verhängte sie eine Art Arbeitsverbot. "Es sei hier darauf hingewiesen, dass zukünftig ausschließlich von meinen Rechtsanwälten Dr. Borchert und Rechtsanwalt Grasel eingereichte Schriftsätze, Ablehnungsgesuche oder Ähnliches meine Zustimmung haben", schreibt sie.

Die Verteidigung während der Verhandlung übernahmen bislang Heer, Stahl und Sturm, während Borchert zumeist gar nicht anwesend war und Grasel überwiegend schwieg. Und doch sind es Grasel und Borchert, denen Zschäpe offenbar vertraut.

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