Die Bundesanwaltschaft sieht keinen Anlass, zum NSU-Prozess die Ermittlungsakten zum Mordfall Peggy Knobloch beizuziehen und sie damit dem Gericht und allen weiteren Prozessbeteiligten zugänglich zu machen. Die Opferanwälte Mehmet Daimagüler und Seda Başay Yıldız hatten dies gefordert, nachdem bekannt geworden war, dass am Ablageort der Leiche des neunjährigen Mädchens DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt entdeckt worden waren.
"Die allgemeine Aufklärungspflicht gebietet die Beiziehung dieser Akten nicht", sagte Oberstaatsanwältin Anette Greger am Dienstag zu Beginn des 319. Verhandlungstages vor dem Oberlandesgericht München. Laut Bundesanwaltschaft wären die Peggy-Akten bei der Staatsanwaltschaft Bayreuth und der Soko Peggy beim Polizeipräsidium Oberfranken nur dann beizuziehen, wenn zu erwarten wäre, dass ihr Inhalt zur Aufklärung der angeklagten Taten im NSU-Prozess beitragen könnte. "Das ist nach aktuellem Erkenntnisstand nicht der Fall", so Greger.
Ein konkreter Aufklärungsgewinn für den NSU-Prozess sei durch die Peggy-Akten "derzeit" nicht zu erwarten. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich in den Akten zum Mordfall Peggy beispielsweise Hinweise dafür fänden, wie sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund ihren Lebensunterhalt finanziert haben. "Dass sich die drei ihren Unterhalt möglicherweise auch durch Kinderpornografie finanzierten, ist reine Spekulation", sagte Greger: "Dafür gibt es keinerlei tragfähige Grundlage." Schon gar nicht sei zu erwarten, dass sich dazu Hinweise in den Peggy-Akten fänden.
Noch ist unklar, ob es sich bei der DNA-Spur von Böhnhardt am Fundort von Peggys Leiche um eine echte, tatrelevante Spur handelt. Womöglich ist Böhnhardts DNA erst durch die Tatortgruppe der Polizei an den Fundort gelangt. Die Soko Peggy prüft eine versehentliche DNA-Verschleppung.
Durch den DNA-Fund bestehe "zwar ein möglicher Personenzusammenhang" zwischen dem NSU-Komplex und dem Mordfall Peggy, sagte Greger am Dienstag, "die Ermittlungen zu dieser Spur stehen allerdings noch ganz am Anfang".
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung besteht Einigkeit bei Vertretern der Bundesanwaltschaft, des Bundeskriminalamts, der Staatsanwaltschaft Bayreuth und des Polizeipräsidiums Oberfranken, dass ein "umfassender" Austausch der Erkenntnisse im Mordfall Peggy und im NSU-Komplex "unerlässlich" sei. So steht es in einem Schreiben des Bundesjustizministeriums. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft beinhaltet das aber offenbar nicht, dass auch die Beteiligten des NSU-Prozesses über die Erkenntnisse im Fall Peggy informiert werden.
Die Entscheidung des Gerichts über den Antrag der Nebenklage, die Peggy-Akten in das NSU-Verfahren beizuziehen, steht noch aus.