Im Verfahren um die Neonazi-Mordserie hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe erhoben. Die 37-Jährige ist unter anderem als Mittäterin bei zehn Morden und 15 bewaffneten Raubüberfällen angeklagt. Sie sei nicht nur Mitglied der terroristischen Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gewesen, sondern selbst als Mittäterin für die Morde verantwortlich, sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag in Karlsruhe. Zschäpe wird außerdem schwere Brandstiftung und Mordversuch vorgeworfen.
Zu den vier ebenfalls angeklagten mutmaßlichen NSU-Unterstützern gehört laut Range der Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Er soll sich wie auch der Mitangeklagte Carsten S. wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Ebenfalls angeklagt wurde der mutmaßliche NSU-Unterstützer André E., der Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag des NSU in Köln geleistet haben soll. Dem fünften Angeklagten Holger G. wird Unterstützung des NSU in drei Fällen zur Last gelegt. Der Fall soll vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München verhandelt werden.
Zschäpe war 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untergetaucht. Gemeinsam gründeten die drei Neonazis eine Terrorgruppe - die NSU. 13 Jahre lebten sie unerkannt. Zwischen 2000 und 2006 sollen sie neun Kleinunternehmer mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin ermordet haben. Hinzu kommen zwei Bombenanschläge in Köln, bei denen 2001 und 2004 insgesamt mehr als 20 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden.
Vor einem Jahr flog das Neonazi-Trio nur durch Zufall auf, als Böhnhardt und Mundlos sich nach einem Banküberfall erschossen und Zschäpe danach die gemeinsame Wohnung in Brand setzte. Die Bundesanwaltschaft hatte daraufhin am 11. November 2011 Ermittlungen übernommen.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die Anklageerhebung als Zeichen für die fortschreitende Aufklärung der Neonazi-Mordserie gewertet. "Die Anklage ist erhoben, und ich glaube, man kann daran sehen, die Aufklärung geht voran", sagte er im Bundestag. An den bisherigen Ermittlungen seien bis zu 400 Beamte beteiligt gewesen, die Verfahrensakten umfassten inzwischen 200.000 Seiten.
Auch der NSU-Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte am Donnerstag am Rande einer Sitzung des Gremiums, er begrüße die Anklageerhebung ausdrücklich. Die Frage sei nun, ob Zschäpe bei dem Verfahren eine Aussage mache.Der FDP-Obmann Hartfrid Wolff betonte: "Ich erwarte mir von dem Prozess weitere Erkenntnisse und zusätzliche Impulse für unsere Arbeit." Auch der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) äußerte die Hoffnung, dass der Prozess neue Erkenntnisse liefern könnte.
Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern prüfen seit dem Bekanntwerden der Taten des Neonazitrios, wie es dazu kommen konnte, dass der rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie über Jahre hinweg nicht ans Licht kam. Den Sicherheitsbehörden werden zahlreiche Ermittlungspannen vorgeworfen.
Derzeit beschäftigt sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der Rolle des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bei der Aufklärung des Falls der Terrorgruppe NSU. Bei einer Befragung bestätigte der MAD-Abteilungsleiter für den Bereich Extremismusbekämpfung, Dieter Huth, dass Uwe Mundlos 1995 auf seine Tauglichkeit als Informant geprüft wurde.
Er soll befragt worden sein, ob er bereit wäre, als solcher zu arbeiten. Der MAD hatte Mundlos bei einer Vernehmung kurz vor Ende seiner Wehrdienstzeit gefragt, ob er die Polizei oder den Verfassungsschutz über rechtsextremistische Aktivitäten informieren würde. Diese Frage habe zum einen der Beurteilung des Befragten gedient, sagte Huth.
Zweitens sollte ausgelotet werden, ob für andere Sicherheitsbehörden die Möglichkeit bestünde, Mundlos nach Ende seiner Dienstzeit als V-Person zu gewinnen. MAD-Präsident Ulrich Birkenheier hatte dies im September bestritten. Birkenheier hatte versichert, die Frage habe nur den Zweck gehabt, festzustellen, ob Mundlos sich aus der rechtsextremen Szene gelöst habe. Dieter Huth sagte, er habe sich selbst häufig darüber geärgert, dass die Arbeit seiner Behörde folgenlos geblieben sei. "Es macht traurig."
Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, hatte in einem Interview erneut die Abschaffung des MAD gefordert. "Nach der Abschaffung der Wehrpflicht hat der MAD keine originär eigene Verantwortlichkeit und Aufgabe mehr", sagte sie der dpa.