Wegen des zwielichtigen V-Mannes "Piatto" muss der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags nun auch in Brandenburg auf Aufklärung dringen. Am Donnerstagabend vernahmen die Abgeordneten in einer nichtöffentlichen Sitzung den Beamten, der Ende der Neunzigerjahre "Piatto" geführt hatte. Die Befragung war jedoch nach Darstellung der Teilnehmer äußerst unergiebig.
Der Beamte soll sich angeblich an so gut wie gar nichts mehr erinnert haben.
Der Fall "Piatto" ist brisant, weil dieser V-Mann, der ein wegen versuchten Mordes verurteilter Neonazi war, zur Jahrtausendwende auch Hinweise auf das untergetauchte Terror-Trio NSU gegeben hat.
Der Ausschuss will nun auch den Vorgesetzten des Beamten als Zeugen laden, der für "Piatto" zuständig war. Außerdem sollen weitere Unterlagen vom Land Brandenburg geliefert werden.
"Verheerendes Bild"
"Die Aktenlage gibt ein verheerendes Bild ab", sagte der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD). Es bestehe der Verdacht, dass der Brandenburger Verfassungsschutz in den Neunzigerjahren die Justiz getäuscht habe.
Der V-Mann "Piatto" alias Carsten S. hatte sich offenbar Mitte der Neunzigerjahre selbst dem Verfassungsschutz als Spitzel angeboten. Er wurde auch tatsächlich noch während der Haftzeit von diesem angeheuert, obwohl Carsten S. wegen eines brutalen Überfalls auf einen nigerianischen Asylbewerber verurteilt worden war. Die Abgeordnete Eva Högl (SPD) nennt die Anwerbung von "Piatto" höchst fragwürdig, Clemens Binninger (CDU) spricht von einer "inakzeptablen Vorgeschichte" des V-Mannes.
Der überfallene Nigerianer war nur knapp mit dem Leben davongekommen, S. wurde zu acht Jahren Haft verurteilt. Er kam jedoch sehr früh in den Genuss von Hafterleichterungen und konnte als Freigänger seinen Spitzeldienst ausüben. Außerdem wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.
Dabei könnte, so der Verdacht, der Verfassungsschutz tatkräftig mitgeholfen und die Justiz getäuscht haben. Carsten S. soll ein Praktikum bei einem Versandhandel bekommen haben, dessen Inhaber in Kontakt zum Umfeld des NSU gestanden haben soll.
In der Begründung für eine vorzeitige Haftentlassung verwies die Justiz damals darauf, Carsten S. habe sich aus der rechtextremistischen Szene gelöst. Das steht allerdings im Widerspruch dazu, dass sich S. als V-Mann in genau dieser Szene aufhalten sollte. Carsten S. sei "offenbar aus dem Gefängnis herausgeholt worden", sagte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland.
Der Ausschuss geht zudem dem Verdacht nach, dass aus dem Brandenburger Gefängnis heraus, in dem S. inhaftiert war, mit Billigung der Behörden Neonazi-Zeitschriften vertrieben wurden. Darunter sollen auch Ausgaben des Weissen Wolfs gewesen sein, in dem später ein erster Hinweis auf den NSU auftauchte.
Zudem ist 1999 angeblich ein Drohbrief beim Brandenburger Innenministerium eingegangen, der unterzeichnet gewesen sein soll mit einem dem NSU ähnlichen Namen. Bisher gibt es aber keinen Beleg für einen Zusammenhang mit der Terrorzelle NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund").