Was macht ein Verfassungsschützer, im Auto unterwegs zu einem konspirativen Treffen? Er hört eine CD. Und deshalb bekommt er nicht mit, was draußen im Land vor sich geht. Erst als er kurz vor dem Ziel in einem gigantischen Stau festsitzt und draußen jede Menge Einsatzfahrzeuge bemerkt, dreht er das Radio an. Er erfährt: Eine Polizistin wurde getötet, ein Polizist schwerst verletzt. Hier in der Stadt, in der er einen Informanten anwerben will. Polizistenmord in Heilbronn.
Achteinhalb Jahre später sitzt der Verfassungsschützer vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Parlaments und erzählt seine Version des 25. April 2007. Als die Schüsse auf Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen Martin A. abgefeuert wurden, habe er sich gerade erst auf den Weg von Stuttgart nach Heilbronn gemacht. Der Mann, den er anwerben wollte, sei nicht der rechten, sondern der islamistischen Szene zuzuordnen gewesen. Doch wegen des Chaos' in Heilbronn habe man das Treffen abgesagt. Er sei sofort nach Stuttgart zurückgekehrt.
Es sei schwer damit umzugehen, ständig aufs Maul zu bekommen, sagt der Mann vom Geheimdienst
Ausführlich beschäftigt sich der Ausschuss mit den Spekulationen, deutsche und amerikanische Geheimdienstler könnten Zeugen des Anschlags gewesen sein. Ein Hamburger Magazin hatte das Thema in die Welt gesetzt. Die Echtheit des Dokumentes, auf dem der Bericht basierte, wird von Experten stark angezweifelt. Aber die Parlamentarier wollen keine Spur unangetastet lassen in diesem rätselhaftesten Mord des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Der Verfassungsschützer, der am Montag als Zeuge aussagt, hält die Vorwürfe für "erfunden und erlogen" und spricht von einer "Hexenjagd" der Medien. Natürlich habe der Verfassungsschutz Fehler gemacht bei der Fahndung nach den Mördern. Aber für einen engagierten Mitarbeiter des Dienstes sei es schwer damit umzugehen, "ständig aufs Maul zu bekommen".
Was der Zeuge als Hexenjagd empfindet, ist der schmerzhafte Versuch, zumindest aufzuklären, was nicht mehr gutzumachen ist. Zehn Morde, ohne dass die Sicherheitsbehörden den Tätern auf die Spur kamen. Natürlich schlug dem baden-württembergischen Verfassungsschützer Misstrauen entgegen, als er behauptete, er sei an jenem Tag sieben Stunden lang im Auto gesessen und habe keinesfalls in Heilbronn den Tatort besucht. Und als nach ihm ein pensionierter Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes schilderte, mit welcher Chuzpe die Amerikaner auf deutschem Boden spionieren, verschlug es manchem Parlamentarier doch den Atem. Zu möglichen Aktivitäten am 25. April 2007 konnte er keine Angaben machen.
Bis zum 7. Dezember will der Ausschuss weitere Zeugen vernehmen. Mitte Januar soll der Abschlussbericht fertig sein, Mitte Februar dem Parlament vorgelegt werden. Die Zeit drängt, denn am 13. März wird in Baden-Württemberg gewählt. Nun rächt sich, dass das Parlament sich erst Ende 2014 dazu durchrang, den Untersuchungsausschuss einzusetzen. Deshalb beschloss das Gremium nun einstimmig: Der neue Landtag möge einen weiteren Ausschuss beauftragen, den offenen Fragen nachzugehen. Sogar eine To-do-Liste wurde erstellt.