Wenn man so will, ist es ein Jubiläum: Im Februar 2002 feuerte der US-Geheimdienst zum ersten Mal mit einer Drohne eine Rakete ab, um gezielt einen Menschen zu töten. Es gab eine Explosion, mehrere Männer wurden zerfetzt. Nur das eigentliche Ziel - Osama bin Laden - war nicht in der Nähe. Zwölf Jahre sind seither vergangen. Der Tod aus der Luft ist mittlerweile in Teilen der Welt Alltag. Was damals noch "top secret" gestempelt war, ist längst weltbekannt: US-Geheimdienste machen mit Drohnen Jagd auf Terrorverdächtige oder jene, die sie dafür halten.
Nach Schätzungen des Londoner Bureau of Investigative Journalism haben amerikanische Drohnen in den vergangenen zehn Jahren etwa 4000 Menschen getötet, darunter zahlreiche Zivilisten. Immer mehr Details kamen zuletzt ans Licht: Journalisten haben recherchiert, Nichtregierungsorganisationen haben Beweise gesammelt und der Whistleblower Edward Snowden hat Belege geliefert. Zusammen ergeben sie ein neues Bild: Demnach sind den Amerikanern auch befreundete Nationen behilflich, Großbritannien etwa, auch Australien - und: Deutschland. Es ist ein Thema, das sich im Dunkelfeld von Bündnistreue, Geheimdienst-Deals und politischer Freundschaft abspielt. Keine Regierung redet gern darüber, niemand möchte sich rechtfertigen. Was geheim war, soll gefälligst geheim bleiben.
Was bislang veröffentlicht wurde, reicht vielen Politikern schon
Besonders gut ist dies derzeit in Deutschland zu beobachten: Opposition und Regierung sind sich weitgehend einig, dass es einen NSA-Untersuchungsausschuss geben soll. Um die US-Geheimdienste soll es gehen, den britischen Partner GCHQ und das abgehörte Handy von Angela Merkel. Grüne und Linke möchten zudem auch Deutschlands Rolle im US-Drohnenkrieg untersuchen.
Union und SPD wollen das offenbar verhindern. Was in den vergangenen Monaten öffentlich wurde, ist vielen Politikern schon genug: Etwa, dass die Steuerzentrale des US-Luftkriegs in Afrika ausgerechnet in Ramstein liegt, dass die Befehle für gezielte Tötungen vom US-Stützpunkt in Stuttgart kommen - und die nötigen Informationen wohl auch von deutschen Sicherheitsbehörden. Es gab dazu parlamentarische Anfragen, eine Fragestunde - und viele ausweichende Antworten der Bundesregierung. Über gezielte Tötungen habe man "keine eigenen Erkenntnisse" und außerdem hätten die Amerikaner zugesagt, sich an geltendes Recht zu halten. Ansonsten gab sich die Bundesregierung ahnungslos. Man könnte auch sagen: Sie stellte sich dumm. Ein Untersuchungsausschuss würde sich damit wohl nicht zufriedengeben. Denn in Militär- und Geheimdienstkreisen ist längst bekannt, wie wichtig der Stützpunkt Deutschland für den amerikanischen Drohnenkrieg ist. Gestartet werden die Fluggeräte zwar in Dschibuti, Saudi-Arabien, Pakistan oder Afghanistan, auch werden sie in der Regel von Piloten in den USA aus gesteuert - doch dazwischen liegt Deutschland. Die Daten der Drohnen, die über Somalia oder Afghanistan kreisen, werden via Deutschland an die Piloten übertragen. "Deutschland ist die Daten-Drehscheibe der Drohnenwelt", fasst ein ehemaliger Drohnenpilot zusammen, was längst auch in Fachbüchern nachzulesen ist. Ohne die US-Stützpunkte und Satellitenanlagen in Ramstein, Kaiserslautern-Vogelweh und Stuttgart wären die Drohnenkrieger blind.
Verräterische Stellenausschreibung in Großbritannien
Ein weiterer Pfeiler der amerikanischen Drohneninfrastruktur wurde jüngst durch eine verräterische Stellenausschreibung enthüllt: Für den Luftwaffenstützpunkt Waddington im Osten Großbritanniens wurden Techniker gesucht. Sie sollten sich mit Predator-Drohnen auskennen und die entsprechende Sicherheitsüberprüfung haben, um für das US-Militär arbeiten zu dürfen. Später wurde bekannt, dass auch die Daten von Angela Merkels abgehörtem Handy über einen Stützpunkt auf der Insel in die Vereinigten Staaten übermittelt worden sein sollen. Zumindest für einige britische Parlamentarier ist dies nicht hinnehmbar. Sie kämpfen im britischen Oberhaus für eine verschärfte Überwachung der US-Stützpunkte in Großbritannien. Eine Entscheidung wird in den nächsten Wochen erwartet.
In Australien wandten sich Aktivisten derweil mit einem Brief direkt an den UN-Sonderberichterstatter für die Terror-Bekämpfung. Sie fordern von ihm eine Untersuchung, was die US-Geheimdienste im australischen Outback treiben. Zeitungen hatten zuvor berichtet, dass im australisch-amerikanischen Geheimdienststützpunkt Pine Gap Informationen über die Aufenthaltsorte von Verdächtigen erhoben werden. Nur wer weiß, wo sich die Verdächtigen aufhalten, kann sie auch töten.
Und auch hier kommt wieder die Bundesrepublik ins Spiel: Deutsche Sicherheitsbehörden geben regelmäßig Mobilfunkdaten an ihre amerikanischen Partner weiter. Eine Telefonnummer allein, so die offizielle Begründung, reiche nicht aus, um eine Person zu orten.
Es ist eine sehr gewagte Behauptung - und Union und SPD zeigen sich bislang nicht willens, sie auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Laut ihrem ersten Antragsentwurf soll der NSA-Untersuchungsausschuss zwar prüfen, welche Daten die Amerikaner den deutschen Sicherheitsbehörden überlassen haben - aber nicht, welche Informationen in die umgekehrte Richtung geflossen sind und vor allem nicht, was damit gemacht wurde.
In diesem Fall reicht es schon, sich anzuhören, wie NSA-Mitarbeiter ihre Arbeitsteilung mit der CIA und dem Militär beschreiben: "We track them, you whack them" - Wir finden sie, Ihr nietet sie um. Deutlicher kann man es wohl nicht ausdrücken.