NSA-Untersuchungsausschuss:Jetzt mal ganz langsam

NSA-Untersuchungsausschuss

Der designierte Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Clemens Binninger (CDU), und Hans-Christian Ströbele (l, Bündnis 90/Die Grünen)

(Foto: dpa)

Zwei CDU-Politiker erklären, wie sie sich die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses vorstellen - und dämpfen die Hoffnungen auf Ergebnisse. Welche Zeugen dürfen aussagen, auf welche Akten gibt es Zugriff? Überhaupt will es die CDU ruhig angehen lassen, was die Opposition misstrauisch macht.

Von Benjamin Romberg, Berlin

Clemens Binninger sagt, er sei Realist. Als solcher ist sich der CDU-Innenexperte bewusst, wie schwer seine Aufgabe ist: Binninger leitet den NSA-Untersuchungsausschuss. Er soll endlich für Aufklärung sorgen, wo bisher jeder Wunsch danach vergebens war.

Gemeinsam mit seinem Parteikollegen Patrick Sensburg erklärte Binninger jetzt in Berlin, wie die Suche nach der Wahrheit aussehen soll - und stellte gleich zu Beginn klar: "Vielleicht stehen wir am Ende mit leeren Händen da."

Am morgigen Donnerstag, etwa ein Dreivierteljahr nach Bekanntwerden der NSA-Affäre, beginnt deren parlamentarische Aufklärung. Acht Mitglieder sitzen in dem Ausschuss, Linke und Grüne stellen jeweils einen Vertreter.

Es dürfte schwierig werden für das Gremium, an neue Informationen zu kommen. Aber will die Bundesregierung das überhaupt? In der Opposition zumindest hat man daran Zweifel. Auf eine Anfrage von Jan Korte von der Linkspartei musste die große Koalition nun einräumen, dass Amerikaner und Briten auf Fragen, die ihnen zu dem Skandal bereits im vergangen Jahr gestellt wurden, bisher keinerlei Antwort gegeben hätten. Die Briten teilten lediglich mit, dass sie nichts mitteilen wollen. Und mehrere schriftliche Anfragen an die US-Botschaft blieben völlig unbeantwortet.

"Feigenblatt ohne Wirkung"

Korte wirft der Bundesregierung "Desinteresse" und "Untätigkeit" vor, weil sie zu wenig Druck auf Washington und London ausübe. Er fürchtet, dass sich das im Untersuchungsausschuss nicht ändern werde. So werde das Gremium "lediglich ein Feigenblatt ohne Wirkung" sein und "sein Auftrag, zu mehr Sicherheit für Grund- und Bürgerrechte zu kommen, ad absurdum geführt", kritisiert Korte.

Tatsächlich ist unklar, welche Möglichkeiten der Ausschuss überhaupt hat. Binninger hat die Erwartungen vorab bereits gebremst. Zu vielen Zeugen und Akten habe der Ausschuss gar keinen Zugang. Dabei wäre etwa die Befragung von NSA-Mitarbeitern zu ihren Abhöraktivitäten in Deutschland interessant. Doch rechtlich hat der Ausschuss keinerlei Handhabe. Er ist auf die Kooperation der USA angewiesen, um entsprechende Zeugen vorzuladen - eine Kooperation, der sich die Amerikaner bisher verweigert haben.

CDU-Mann Sensburg ist dennoch sicher: "Wir werden Zeugen aus Amerika erleben." Er baue auf die Unterstützung von US-Präsident Barack Obama. Sensburg ist allerdings auch der festen Überzeugung, dass Edward Snowden dem Ausschuss seine Originaldokumente zur Verfügung stellen müsse, wenn er es ernst meine mit der Aufklärung.

Snowden aber hat nach eigener Aussage gar kein Material mehr. Er habe alles den Medien gegeben. Sollen dann Journalisten vor dem Ausschuss aussagen? Dazu wollen Binninger und Sensburg nichts sagen.

Christian Ströbele, der die Grünen im Ausschuss vertritt, hält die Forderung nach den Snowden-Dokumenten ohnehin für "Unsinn". "Wir müssen für Aufklärung sorgen", sagt er im Gespräch mit Süddeutsche.de, "nicht Snowden". Dennoch sei der Whistleblower eine "zentrale Figur", die die Opposition gerne als Zeugen vor dem Ausschuss befragen würde. Doch hier ist wiederum Binninger "skeptisch", ob Snowden bei der Aufklärung überhaupt weiterhelfen könne.

Damit tritt ein weiteres Problem des Ausschusses zutage: Regierung und Opposition haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Arbeit im Ausschuss ablaufen soll.

Schon der Weg bis zu seiner Festlegung war schwierig. Die Regierung hielt sich lange zurück; es war die Opposition, die Ende Januar einen entsprechenden Antrag stellte. Die große Koalition reagierte darauf mit einem eigenen Antrag, schlug Linken und Grünen aber gleichzeitig vor, zusammen einen Fragenkatalog auszuarbeiten. Die Unterhändler der Fraktionen einigten sich schließlich auf einen gemeinsamen Antrag.

Zwischen Pessimismus und Galgenhumor

Mit dem kann Ströbele nun gut leben: Die zentralen Forderungen der Opposition seien enthalten, sagt er. Grüne und Linke wollen vor allem wissen, wie sich die Geheimdienste untereinander austauschen und welche Rolle die Bundesregierung spielte. Im Vordergrund steht für das Gremium allerdings die Frage, in welchem Umfang die Geheimdienste des sogenannten "Five Eye"-Bündnisses (USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland) deutsche Daten ausgespäht haben.

Aber bei der Herangehensweise ist man sich zwischen den Parteien offenbar wieder uneins. Ströbele etwa hat - anders als Binninger und Sensburg - schon konkrete Vorstellungen. Er will gleich zu Beginn wissen, was die Vertreter der Bundesregierung erfahren haben, als sie im vergangenen Jahr mit dem Wunsch nach Aufklärung in die USA reisten. Die verfügbaren Akten seien nicht aufschlussreich.

Zudem will er sich auf die deutschen Geheimdienste konzentrieren, weil von der NSA ohnehin nicht viel Auskunft zu erwarten sei.

Geht es nach der CDU, wird es der Ausschuss hingegen erst einmal ruhig angehen lassen. Sensburg spricht davon, dass man auf der Suche nach Antworten in die Breite gehen wolle. Mit möglichen Zeugen oder mit Unterlagen, die zum Beispiel die Spähattacken auf die Bundeskanzlerin belegen, wolle sich die Union zunächst nicht beschäftigen. Auch solle der Fokus nicht nur auf den deutschen Geheimdiensten liegen, weil sonst niemand befragt werden könne, stellt Binninger klar.

Keine Zeugen vor Juni

Er weiß, wie zäh die Befragung von Behörden werden kann, schließlich saß er bereits im Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden und war selbst lange Zeit Polizist. Auch den Zeitplan kann er - als Realist - vermutlich gut einschätzen. Zunächst sollen Sachverständige geladen werden, die den Ausschussmitgliedern rechtliche und technische Fragen erklären. Vor Juni brauche man also über Zeugen oder Akten gar nicht nachzudenken, so Binninger. Auch warnt er schon mal vor: Wegen der heiklen Thematik könne es viele Geheimsitzungen geben, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommt.

Wann mit einem Ergebnis zu rechnen sei? Binninger schnauft einmal durch, muss selbst lachen. Galgenhumor? Zwei Jahre, schätzt er, vorher sei man sicher nicht fertig. Und er weist noch daraufhin: Spätestens am Ende der Legislaturperiode müsse ja Schluss sein.

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