NSA-Untersuchungsausschuss:Dieser Zeuge braucht Schutz

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Edward Snowden vor einigen Tagen in einer Videokonferenz mit Mitgliedern des Europaparlaments (Foto: AFP)

Einen so maßlosen Angriff auf die Grundrechte wie im NSA-Skandal hat es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Doch die Union redet über den wichtigen Zeugen Edward Snowden, als habe er eine ansteckende Krankheit, die SPD widerspricht kaum. Dahinter steckt ein Konflikt zwischen Macht, Supermacht und Recht.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Ein NSA-Untersuchungsausschuss, der streitet, ob und wann er Edward Snowden anhören soll, verdient den Namen Untersuchungsausschuss nicht. Snowden ist nämlich das, was die Juristen ein zentrales Beweismittel nennen. Er hat die Abhöraktionen aufgedeckt, er steht im Mittelpunkt der Aufklärung einer Staats- und Staatenaffäre - so Aufklärung gewollt ist. Die Einladung, Vorladung und Anhörung Snowdens ist die Vitalitätsprobe für die Institution U-Ausschuss.

Die Bundesregierung will die Aufklärung offenbar nicht. Sie hat bisher kaum Anstalten gemacht, die NSA-Angriffe auf die Grundrechte abzuwehren und zu verhindern. Die Union redet über Snowden, als habe er eine ansteckende Krankheit; die SPD widerspricht kaum. Im Übrigen habe der Mann schon alles gesagt, heißt es. Er sei ein Whistleblower, der schon ausgepfiffen habe. Das ist vorweggenommene Beweiswürdigung; sie ist verboten. Im Strafverfahren führt derlei zur Aufhebung des Urteils. Gut, der Ausschuss ist natürlich kein Strafverfahren, aber er folgt dessen Regeln.

Einen so maßlosen Angriff auf die Grundrechte, wie er sich im NSA-Skandal zeigt, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik nicht gegeben. Von der Massivität des Angriffs und der Person des Angreifers ist die Bundesregierung offenbar so beeindruckt, dass sie resigniert. Es mag sein, dass sie glaubt, solche Indolenz in diesem Fall, in dem es um die Beziehungen zu den USA geht, entspreche dem Staatswohl. Angesichts des Rangs der Grundrechte ist diese Sicht der Dinge falsch.

Das Staatswohl gebietet Aufdeckung und Aufklärung, andernfalls werden die Kommunikationsgrundrechte im Jahr des 65. Grundgesetzjubiläums zu bettelnden Grundrechten. Der Ausschuss sollte den Hauptzeugen Snowden alsbald laden und anhören.

Rechtliche Garantie, dass Snowden Schutz genießt

Snowden will, wenn er in Deutschland aussagt, freies Geleit - er will also die Zusicherung, dass er nicht an die USA ausgeliefert wird. Das ist kein unbilliges Verlangen; alles andere wäre grober Undank. Gewiss: Snowden wird, sobald er den Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat, Asyl beantragen; darüber entscheiden dann unabhängige Gerichte. Die US-Seite verweist schon vorsorglich darauf, dass man auf der Basis eines US-Haftbefehls Auslieferung verlangen wird, auch gegen einen Asylbewerber Snowden.

Im Rechtshilfeabkommen mit den USA steht aber, dass nicht ausgeliefert wird, wenn Deutschland die Straftat, wegen der die Auslieferung gefordert wird, als Straftat mit politischem Charakter betrachtet. Die rechtliche Beurteilung obliegt bei einem Aufenthalt Snowdens in Berlin dem dortigen Kammergericht. Wenn es die Auslieferung ablehnt, wäre für Snowden alles in Ordnung. Wenn es sie für zulässig hält, kann der Bundesjustizminister die Auslieferung immer noch ablehnen. Er könnte auch schon vorab erklären, dass er auf jeden Fall Auslieferung ablehnt. Das wäre die rechtliche Garantie für Snowden, dass er in Deutschland Schutz genießt.

Diesen Schutz braucht der Zeuge. Die Regierung sollte ihn nicht verweigern, wenn der Ausschuss den Zeugen vorlädt. Dies geht auch auf Antrag der oppositionellen Minderheit im Ausschuss. Die Regierung sollte sich nicht unter Hinweis auf ihre Interpretation des Staatswohls dagegen sperren und die Anhörung verhindern. Das Wohl des Staates ist nämlich Regierung und Parlament gleichermaßen anvertraut - deshalb ist es nicht gut, wenn die Regierung dem Ausschuss Beweismittel vorenthält; sei es ein Zeuge, seien es geheime Akten. So steht es schon im Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Es geht um einen Konflikt zwischen Macht, Supermacht und Recht. Wenn sich die Macht der Bundesregierung auf die Seite der Supermacht stellt, zieht das Recht womöglich den Kürzeren.

© SZ vom 11.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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