NSA-Skandal:Wie dumm es laufen kann

NSA-Skandal: Falsche Anschuldigung? Keine Ahnung? Peer Steinbrück und Angela Merkel machen in der NSA-Affäre keine gute Figur.

Falsche Anschuldigung? Keine Ahnung? Peer Steinbrück und Angela Merkel machen in der NSA-Affäre keine gute Figur.

(Foto: AFP)

500 Millionen Datensätze soll die NSA aus Deutschland bekommen. Stammen sie vom Auslandsgeheimdienst BND? Wenn sich diese Vermutung bewahrheitet, dann stünden Kanzlerkandidat Steinbrück und die gesamte SPD-Führung, gelinde gesagt, saublöd da. Das ändert aber nichts an dem Eindruck: Die Regierung Merkel weiß oder sagt nicht, was die Amerikaner sonst noch treiben.

Ein Kommentar von Stefan Braun

Edward Snowden, der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter, hat viel erreicht. Er hat die gigantische Datensammelwut der USA offengelegt. Er hat einen Streit zwischen den USA und Russland heraufbeschworen. Und er hat in Deutschland eine heftige Debatte über die Rolle der Regierung ausgelöst. Diese Debatte steht möglicherweise vor einer Wende. Das wäre eine besondere Ironie in einem absurd leeren Wahlkampf.

Als vor sieben Wochen über Snowdens Unterlagen bekannt wurde, dass rund 500 Millionen Datensätze Monat für Monat aus Deutschland an den US-Geheimdienst fließen, setzte sich sofort das Bild fest, die Amerikaner würden millionenfach Mails, SMS und Gespräche deutscher Bürger grundrechtswidrig absaugen. Die Regierung wirkte schwach und defensiv, weil sie wenig bis nichts wusste und im Ringen um Informationen machtlos agierte. Die SPD reagierte mit klassischen Reflexen, rief Skandal und verlangte umfassende Aufklärung.

Der Gipfel der Attacken war erreicht, als Kanzlerkandidat Peer Steinbrück Angela Merkel vorwarf, angesichts der millionenfachen Grundrechtsverstöße verletze sie ihren Amtseid. Inzwischen geraten die Sozialdemokraten jedoch selbst in die Bredouille, weil sie die Regierung vielleicht auf falscher Grundlage attackierten.

Wenn stimmt, was sich abzeichnet, dann handelt es sich bei diesen 500 Millionen Datensätzen um Informationen, die der deutsche Bundesnachrichtendienst im Ausland gesammelt hat und über zwei Stellen auch in Deutschland nach Amerika transferierte. Das wäre nicht gesetzeswidrig, sondern entspräche seinem Auftrag. Einem Auftrag zudem, der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vom damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier präzisiert worden war.

Wenn sich also bewahrheitete, dass Snowdens 500 Millionen Datensätze identisch wären mit den 500 Millionen Datensätzen des BND, dann wären zentrale Anschuldigungen obsolet. Und dann stünde die gesamte SPD-Führung, gelinde gesagt, saublöd da. Dann nämlich bekämen die Sozialdemokraten zu spüren, wie dumm es laufen kann, wenn man in der Hoffnung auf einen besonders großen Skandal jede Vorsicht und jede Nachdenklichkeit aufgibt. Man kann verstehen, dass die SPD händeringend nach Themen sucht, um im Wahlkampf doch noch zu punkten. Man kann nicht verstehen, dass eine staatstragende Partei wie die SPD, die nach dem 11. September 2001 die Kooperation der Geheimdienste noch intensivierte, ihre eigene Rolle damals derart außer Acht lässt.

Das bedeutet nicht, dass die Regierung jetzt wirklich besser dasteht. Sie kann wahrscheinlich die 500-Millionen-Frage für sich günstig beantworten. Aber an dem Eindruck, dass sie nicht weiß oder nicht sagt, was die Amerikaner sonst noch alles treiben, hat sich nichts geändert. Entsprechend bleiben wichtige Fragen weiter ohne Antwort. Ungewollt beweisen Regierung und SPD damit vor allem, dass sie mit den Informationen Edward Snowdens bis heute nicht seriös umgehen können.

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