NSA-Ausschuss und Snowden:Gewillt, die Klage durchzuziehen

Bundesverfassungsgericht

Linke und Grüne wollen die Groko vor Gericht bringen.

(Foto: dpa)

Union und SPD wollen US-Whistleblower Snowden nicht in Deutschland haben. Das ist beschlossene Sache. Doch Linkspartei und Grüne wollen jetzt die letzte Möglichkeit ausschöpfen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es ist die letzte Karte, die die Opposition noch ziehen kann. Und sie wird sich in der Sommerpause des Bundestages sehr genau überlegen, ob der vermeintliche Joker funktionieren kann.

Linke und Grüne im NSA-Untersuchungsausschuss wollen gemeinsam beim Bundesverfassungsgericht Klage einreichen. Beklagte wären die Bundesregierung oder die schwarz-rote Mehrheit im Ausschuss, wahrscheinlich aber beide. In den Augen der Opposition behindern sie die Arbeit des Ausschusses und sabotieren das im Einsetzungsbeschluss festgehaltene Aufklärungsmandat, indem sie alles tun, um eine Vernehmung des Zeugen Edward Snowden zu verhindern. Dabei hätte die Regierung eine Pflicht zur Amtshilfe und die Ausschussmehrheit die Pflicht zur Aufklärung.

Noch ist nicht sicher, ob das klappt. Juristisch sei eine solche Klage "alles andere als trivial", sagt Konstantin von Notz, Obmann der Grünen im Ausschuss. Aber: "Wir sind gewillt, diese Klage durchzuziehen."

Das will auch Martina Renner, Obfrau der Linken. In Karlsruhe müsse letztlich entschieden werden, ob die Bundesregierung oder das Parlament die Hoheit über die Ausschussarbeit hätten.

Renner und von Notz sind überzeugt, dass es längst die Regierung ist, die der schwarz-roten Ausschussmehrheit diktiert, was geht und was nicht geht. Auf keinen Fall geht demnach, Snowden in Deutschland zu hören. Das hat die Bundesregierung mehrfach schriftlich deutlich gemacht. Union und SPD haben deshalb vergangene Woche im Ausschuss überraschend - aber getreu der Regierungslinie - genau dies beschlossen. Snowden wird nicht nach Deutschland eingeladen. Er könne aber gerne Anfang September für eine Videobefragung in Moskau bereitstehen. Eine Idee, die er schon mehrfach abgelehnt hat.

Die Regierung befürchtet "erhebliche negative Auswirkungen"

Aus der Ferne betrachtet lässt das Handeln von Regierung und schwarz-roter Ausschussmehrheit kaum einen anderen Schluss zu: Sie arbeiten Hand in Hand daran, eine Aussage Snowdens zu verhindern. Die Gründe sind ebenso offensichtlich und werden von der Regierung in einem Gutachten offen dargelegt. Sie erwarte "erhebliche negative Auswirkungen" auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen und insbesondere eine "Beeinträchtigung der Kooperation mit den US-Sicherheitsbehörden", die für die Sicherheit Deutschlands von "grundlegender Bedeutung" sei. Außerdem könne die Bundesrepublik nicht für die Sicherheit Snowdens garantieren.

Auf diese Gutachten beziehen sich die Großkoalitionäre in ihrem Beschluss, Snowden nicht in Deutschland zu vernehmen. Für Linke und Grüne ist das ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr die Kollegen von Union und SPD sich von der Regierung Vorschriften machen lassen.

Dennoch ist es eben nicht mehr als ein Hinweis. In dem Beschluss laden Union und SPD Snowden ja durchaus zu einer Vernehmung ein. Er in Moskau vor der Kamera, der Ausschuss in Berlin vor Bildschirmen. Die Opposition sieht darin einen Vorwand, um einer Klage wegen erwiesener Untätigkeit die Grundlage zu nehmen.

Dass sich Snowden nicht auf eine Video-Schalte einlassen wird, hat viel mit den Interessen seiner Gastgeber im Moskauer Asyl zu tun. Die Russen finden zwar gut, den USA so die lange Nase zeigen zu können. Dennoch wollen sie die Sache auch nicht schlimmer machen, indem sie Snowden vor jedem Gremium der Welt die uneingeschränkte Aussagefreiheit geben. Seine bisherigen öffentlichen Video-Auftritte, etwa vor europäischen Institutionen, haben deshalb durchweg Grußwort-Charakter.

Doch auch der Beschluss des Ausschusses vom vergangenen Donnerstag scheint sich juristisch auf dünnem Eis zu bewegen. Um eine Zeugenbefragung per Video in Moskau zu rechtfertigen, wird auf Paragraf 247a der Strafprozessordnung verwiesen. Die Strafprozessordnung ist in vielen Fragen Grundlage für die Arbeit eines Untersuchungsausschusses des Bundestages. Demnach ist die Video-Befragung eines Zeugen möglich, wenn "die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen" besteht.

Sind Leib und Leben von Snowden in Gefahr?

Gemeint ist in der Regel die Gefahr für Leib und Leben eines Zeugen oder die Gefahr einer weiteren Traumatisierung. Etwa wenn es um Opfer von Sexualverbrechern geht.

Derlei dürfte bei Snowden nicht zutreffen. Gefährlich werden kann ihm - wenn überhaupt - nur die Bundesrepublik Deutschland, die ihm die Zusicherung verweigert, ihn nicht an die USA auszuliefern, sobald er deutschen Boden betritt. Als weitere Gefahrenquelle kämen die USA selbst infrage, die versucht sein könnten, ihn von deutschem Boden aus in die Vereinigten Staaten zu entführen.

Genau das widerfuhr im April 1991 Jens Karney, einem ehemaligen US-Soldaten. Karney hatte sich 1983 der DDR als Spion angeboten. Nach der Wende spürte ihn ein US-Spezialtrupp im Westen von Berlin auf und brachte ihn in die USA. Dort war er elf Jahre, sieben Monate, 20 Tage und sechseinhalb Stunden in Haft.

Für Martina Renner von der Linkspartei wäre das kein Grund, eine Befragung in Deutschland abzulehnen. Zumal Snowden ja hier als Zeuge aussagen wolle. Von Deutschland brauche er dafür lediglich die Zusicherung, nicht festgenommen zu werden. Und im Zweifel Schutz vor dem Zugriff der Amerikaner. "Wenn wir nicht mal einen Zeugen schützen können, dann können wir den Untersuchungsausschuss auch gleich seinlassen", sagt Renner.

Sollte die Klage angenommen werden, wird das Gericht in Karlsruhe einiges zu klären haben. Neben der Frage, wer im Ausschuss das Sagen haben sollte, könnte es auch darum gehen, ob die Bundesregierung ihre Staatswohl-Interessen über das Aufklärungsinteresse des Ausschusses stellen darf. Im Fall Snowden macht sie das eindeutig.

Dabei hat der Ausschuss Edward Snowden einstimming zu einem besonders wichtigen Zeugen erklärt. Er hat die symbolträchtige Zeugennummer "Z1", ist also der erste Zeuge, den der Ausschuss beschlossen hat. Sein Name wird auch ganz am Anfang des vom Bundestag über alle Parteigrenzen hinweg genehmigten Einsetzungsbeschlusses genannt. Demnach untersucht der Ausschuss die NSA-Affäre "angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung infolge der Enthüllungen von Edward Snowden", heißt es in dem Papier.

Zwei Insider reichen der Opposition nicht

Für Union und SPD aber hat die Bedeutung Snowdens in dem Moment rapide abgenommen, als der NSA-Ausschuss einstimmig beschlossen hat, ihn als Zeugen zu benennen.

An diesem Donnerstag erwartet der Ausschuss die ersten beiden Zeugen zur Anhörung. Aussagen werden die ehemaligen NSA-Mitarbeiter Thomas Drake und William Binney. Binney war bis 2001 technischer Direktor des NSA. Er hat den Geheimdienst damals nach über 30 Jahren in leitender Funktion aus Protest gegen die zunehmende Datensammelwut seines Arbeitgebers verlassen. Binney war ein Spezialist für Verschlüsselungstechnik und damals auch in technischen Fragen für die Zusammenarbeit mit dem BND zuständig.

Softwareexperte Drake hingegen war bis 2008 in Diensten des NSA, wurde aber 2010 der Spionage angeklagt. Die Anklage wurde später in weiten Teilen fallen gelassen, weil ihm kein Geheimnisverrat nachgewiesen werden konnte.

Linken und Grünen reichen diese beiden Insider aus dem Herzen der NSA nicht. Die beiden könnten zwar tiefe Einblicke in die Arbeit der NSA und insbesondere die Zusammenarbeit mit dem BND geben. Aber Herrn Snowden können sie "nicht ersetzen", sagt die Abgeordnete Renner.

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