Süddeutsche Zeitung

NSA-Ausschuss:Sonderermittler Graulich bestreitet Einflussnahme durch BND

  • Der Sondergutachter der Bundesregierung für die NSA-Selektoren, Kurt Graulich, hat sich im NSA-Ausschuss widersprüchlich zu dem Vorwurf geäußert, einen Bericht des BND fast wortgleich übernommen zu haben.
  • Einerseits gab er an, alles selbst geschrieben zu haben. Andererseits sagte er, er habe sich zuarbeiten lassen.
  • Die SPD nahm Graulich in Schutz, die Opposition zweifelte seine Unabhängigkeit an.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Was Graulich vor dem NSA-Ausschuss sagte

Der Sondergutachter der Bundesregierung für die NSA-Selektoren, Kurt Graulich, hat im NSA-Untersuchungsausschuss zunächst bestätigt, Teile seiner rechtlichen Einschätzung für seinen Abschlussbericht aus Schriftstücken des Bundesnachrichtendienstes übernommen zu haben. "Ich habe die schriftliche Version eines Textes vertreten, die ganz gut zusammenschrieb, was für den Zweck hier taugt", sagte er.

Auf eine spätere Nachfrage des Ausschuss-Vorsitzenden Patrick Sensburg (CDU), ob er Hilfe für den Abschlussbericht gehabt habe, sagte Garulich dann hingegen: "Ich schreibe alles selbst."

Auf Nachfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner, ob das tatsächlich so sei, antwortete Graulich dann differenzierter: Er habe "laufend Aufträge verteilt" und sich "zu den einzelnen Teilen Zuarbeiten machen lassen". Die habe er dann entweder übernommen oder nicht.

"Das meiste stammt von mir selbst. Ich habe bestimmt, was reinkommt und was nicht." Zu 99 Prozent habe er Kontakt mit Mitarbeitern des BND gehabt. Zu einem Prozent mit Mitarbeitern aus dem Kanzleramt, erklärte Graulich.

Graulich soll ein BND-Gutachten fast vollständig übernommen haben

Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht hat über vier Monate als "unabhängige, sachverständige Vertrauensperson" etwa 40 000 faule Suchbegriffe untersucht, sogenannte Selektoren, die der amerikanische Geheimdienst NSA auf Analyserechnern des BND eingesetzt hat oder einsetzen wollte. Mit einem großen Teil der Selektoren versuchte die NSA, Ziele in Europa und auch in Deutschland auszuspähen.

Das stellte auch Graulich in seinem Bericht fest. Zu seinem Auftrag gehörte auch, zu bestimmten Bereichen rechtliche Einschätzungen abzugeben. Und hier soll Graulich sich beim BND bedient haben: Nach SZ-Recherchen hat er ein vierseitiges Kurzgutachten des Nachrichtendienstes aus dem Jahr 2013 fast vollständig und wortgleich in seinen 262 Seiten langen Abschlussbericht übernommen. Der Bericht ist dem Ausschuss vor einer Woche übermittelt worden.

Vor dem Ausschuss zeigte Graulich sich verärgert über den Vorwurf, abgeschrieben zu haben. Er sprach von einer "niveaulosen Diskussion" und verwies auf seine umfangreiche eigene Expertise in geheimdienstlichen Rechtsfragen: "Eine Beratung durch den BND war nicht erforderlich."

Seinen inhaltlichen Auftrag hat Graulich von einer Mehrheit der Ausschussmitglieder bekommen. Bezahlt und bestellt wurde Graulich hingegen von der Bundesregierung. Vorgeschlagen wurde er von der SPD.

Christian Flisek, Obmann der SPD im Ausschuss, nahm Graulich vor Beginn der Ausschusssitzung in Schutz. Dieser habe einen Bericht vorgelegt, den er "als in jeder Hinsicht unabhängig" bezeichnete. "Die Qualität des Berichtes spricht für sich."

Die Opposition dagegen hat "bezüglich der Unabhängigkeit ganz erhebliche Zweifel", sagte der Grünen-Obmann im Ausschuss, Konstantin von Notz. Zudem sei es ein "illegitimer und rechtswidriger Weg", eine Vertrauensperson die Selektoren sichten und bewerten zu lassen, statt sie dem Ausschuss als Beweismittel zur Verfügung zu stellen. Es sei überdies kaum möglich, "aus 40 000 Begriffen Rückschlüsse über das Funktionieren eines Systems mit 14 Millionen Selektoren zu ziehen".

Den Verdacht, vom BND inhaltlich beeinflusst worden zu sein, wies Graulich von sich. Er habe die im Bericht dargelegten Rechtspositionen auch schon vertreten, bevor er als Gutachter bestellt wurde. "Mich beeindruckt weder schlechte Presse noch der Bundesnachrichtendienst."

SPD und Union wollen Snowden per Videoschalte aussagen lassen

Die Ausschuss-Mehrheit aus Union und SPD beschloss an diesem Donnerstag zudem, den US-Whistleblower Edward Snowden für den 12. November vor den Ausschuss zu laden. Allerdings nicht in Berlin, sondern per Videoschalte aus Moskau.

Die Bundesregierung solle dafür die notwendigen Voraussetzungen schaffen, sagte Flisek. Die Opposition vermutet dahinter einen weiteren Versuch, eine Befragung von Snowden im Ausschuss letztlich zu verhindern. Snowden hatte mehrfach angeboten, in Berlin vor dem Ausschuss auszusagen. Nicht aber in einer Video-Schalte.

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