Bestätigt hat Burbaum auch eine andere, bedenkenswerte Praxis des BND. Nach dem G10-Gesetz, das die Bedeutung des Artikel 10 im Grundgesetz näher regelt, darf der BND maximal 20 Prozent der Bandbreite einer Daten-Leitung absaugen. Damit wollte der Gesetzgeber 2001 eine massenhafte Speicherung von Daten eigentlich verhindern. Offen war bisher, worauf sich die 20 Prozent beziehen. Auf die maximale Kapazität einer Leitung? Oder auf den tatsächlichen Datenstrom in der Leitung? Die Kapazität ist in der Regel ungleich höher als die tatsächlich genutzte Bandbreite.
Burbaum erklärt nun, der BND gehe von der tatsächlichen Kapazität aus. Wenn also eine Leitung nur zu zehn Prozent belegt ist, dann wird dort der gesamte Datenstrom abgefischt. Die 20-Prozent-Regel läuft ins Leere.
Offen bleibt nach dieser Sitzung, ab wann Daten, die der BND etwa am Internetknoten DE-CIX in Frankfurt erhebt, als gespeichert im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes gelten. Burbaum erklärt das Verfahren so: Der Betreiber des Internetknotens doppelt, also kopiert den Datenstrom einer bestimmten definierten Leitung. Diese Kopie des Stroms wird vor Ort in einen Rechner des BND geleitet. Umgehend würden dann Daten von Grundrechtsträgern wie Bundesbürgern herausgesiebt und gelöscht.
Nur: Gelöscht ist schon das falsche Wort. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz setzt löschen eine Speicherung voraus. Eine Speicherung von G10-Daten aber wäre verboten. Burbaum berichtigt sich, als ihn der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg darauf hinweist. Er nennt löschen jetzt vernichten, ein Begriff, der im Datenschutzgesetz nicht näher bestimmt ist.
Interessant auch, wie der BND sich Zugang zu Datenknoten verschaffen kann. Die Betreiber können freiwillig kooperieren. Machen sie aber nicht gerne. Der BND hat nur ein Zwangsmittel: Wenn die G10-Kommission des Bundestages eine Spionageaktion bewilligt, die deutsche Grundrechtsträger im Ausland betrifft. Dann muss der Betreiber seine Leitungen zur Verfügung stellen.
Daten nebenbei einfangen - und ungehindert ausschlachten
Der BND nutzt offenbar manche G10-Bewilligung als Vehikel, um an Leitungen etwa in Frankfurt heranzukommen, über die ausschließlich internationale Kommunikation läuft. Verbindungen von Afghanistan nach Pakistan etwa.
Der BND muss zwar alle Grundrechtsträger herausfiltern, die nicht von der Bewilligung der G10-Kommision gedeckt sind. Aber alle anderen Daten kann er ungehindert ausschlachten. Da kann es sich lohnen, irgendeine eher nebensächliche G10-Bewilligung einzuholen, nur um Zugriff auf einen bestimmten Datenstrom zu erlangen.
Die Opposition spricht gerne davon, dass sich der BND die Gesetze für seine Zwecke zurechtbiegt. Nach diesem Tag im Untersuchungsausschuss erscheint das als eine durchaus realistische Annahme.