NSA-Ausschuss:Der Apotheker vom BND

Der Leiter des ominösen Spähprogramms Eikonal hat massenweise Daten in den BND-Rechner pumpen lassen. Die Daten Deutscher seien herausgefiltert worden, es habe aber "Lücken" gegeben. Rechtlich bewegt sich der BND auf dünnem Eis.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Im Grunde geht es nur darum, die richtige Pille zu finden. So sieht das der Zeuge S.L. Das ist sein Job im Bundesnachrichtendienst, als Leiter der Operation Eikonal, die die Süddeutsche Zeitung Anfang Oktober aufdeckte. S.L., viel mehr als diese Initialen sind über den Mann nicht zu erfahren, sitzt an diesem Donnerstag im Europasaal des Bundestages. Er soll dort den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses möglichst viel über dieses ominöse Projekt erzählen. Bis vor wenigen Wochen noch gehörte es zu den wohl gehüteten Geheimnissen des BND.

Hinter dem Codewort Eikonal steckt eine gemeinsame Operation von BND und der amerikanischem NSA. Ihr Ziel war es, an einem von der Telekom betriebenen Datenknoten in Frankfurt massenhaft Daten abzufischen. Vor allem Telekommunikationsverkehr im Ausland, etwa von Afghanistan nach Pakistan interessierte die NSA.

Der BND hat den Datenstrom zwischen 2003 und 2008 für die Amerikaner auf bestimmte Schlagworte - sogenannte Selektoren - hin untersucht. Die Amerikaner hatten großes Interesse an dem Projekt. Frankfurt ist der größte Datenknoten der Welt. Sie erhofften sich viele neue Erkenntnisse. Von selbst aber dürfen sie dort nicht tätig werden. "Die Erwartungen waren hoch", sagt Eikonal-Chef S.L. im Ausschuss. Nur läuft nicht alles so, wie sich das BND und NSA vorgestellt haben. Am Ende stehen so wenig Ergebnisse, dass die NSA das Projekt 2008 abbricht.

Der BND bewegt sich damit rechtlich auf dünnem Eis. Er ist ein Auslandsnachrichtendienst, der im Ausland Ausländer ausspionieren darf. Eine Leitung in Frankfurt darf er nur abfischen, wenn gesichert ist, dass der BND nur Telekommunikation von Ausländern vom Ausland ins Ausland zu Gesicht bekommt.

Alle Pillen liegen wahllos auf dem Boden.

Geht es um reine Telefonverbindungen oder Faxe, ist das einfach. Zeuge S.L. erklärt das mit der Pille. Wenn so eine Datenleitung eine Apotheke ist, dann ist eine Pille ein Telefonat. Jede Pille steckt in einem Blister, jeder Blister in einer Verpackung, jede Verpackung in einer Schublade. Und der Apotheker weiß sofort, wo er eine bestimmte Pille finden wird. Telefonate von Deutschen aus Deutschland lassen sich so schnell herausfiltern. Anders ist es mit sogenannten paketvermittelten Daten. E-Mails zum Beispiel. Die werden in kleine Daten-Pakete gestückelt, suchen sich jeweils den schnellsten Weg durchs Internet und bauen sich erst im Zielrechner wieder zu einer lesbaren E-Mail zusammen.

Zurück in der Apotheke bedeutet das: Alle Pillen liegen wahllos auf dem Boden. Dort Deutsche herauszufiltern, im Fachjargon Grundrechtsträger, ist eine Herausforderung. Technisch war das kaum in den Griff zu kriegen. Früh berichteten BND-Mitarbeiter von Problemen. Das bestätigte im Ausschuss auch Zeuge S.L. "Ich kenne die Kritik", sagt er. "Es gab Lücken." Mitarbeiter des BND hätten sich deshalb die Daten zum Schluss noch einmal selbst anschauen müssen, bevor sie diese an die NSA übergaben. Viel kam dabei nicht heraus. "Wenige hundert Meldungen" seien im Jahr der NSA gegeben worden, sagt S.L. Eine Meldung ist etwa eine verdächtige Mail oder ein Telefonat.

Mit den Paketdaten gibt es noch ein Problem: Weil nicht auszuschließen ist, dass auch Daten Deutscher dabei sind, braucht der BND eine G10-Anordnung. Die stellt die geheim tagende G10-Kommission des Bundestages aus. So wie es S.L. erzählt, wurde rein zufällig eine G10-Anordnung für genau den Telekom-Standort erteilt, an dem Eikonal eingesetzt wurde. Die Opposition im Ausschuss kann das kaum glauben. Sie hält die G10-Anordnung für einen "Türöffner". Eingesetzt allein, um sich Zugang zu den Paketleitungen zu verschaffen. Ein naheliegender Verdacht. Auch wenn der Zeuge das vehement verneint.

Kaum Aufklärung konnte am Donnerstagabend vor dem Ausschuss dann Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke beitragen. Er sagte, er kenne den Vertrag mit dem BND über die Daten-Abschöpfung gar nicht. Er habe zwar den damaligen BND-Präsident August Hanning getroffen - doch das sei ein reines Kennenlerntreffen und für ihn lästig gewesen.

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