Die Linke äußerte sich empört über den Bericht von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, dass die Bundesanwaltschaft offenbar keine Ermittlungen wegen der massenhaften Ausspitzelung seitens der US-Geheimdienste einleiten will. Dies wäre ein "beispielloser Akt der Rechtsbeugung", erklärte Parteichef Bernd Riexinger.
"Damit würde amtlich festgestellt, dass die größte Grundrechtsverletzung in der Geschichte der Bundesrepublik juristisch unaufgearbeitet bleibt." Der Staat würde seine Schutzfunktion gegenüber den Bürgern "für eine Demonstration des außenpolitischen Duckmäusertums gegenüber der USA opfern", rügte er.
Riexinger forderte die Bundesregierung auf, offenzulegen, ob im Hintergrund Druck zur Einstellung der Ermittlungen ausgeübt wurde.
Der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, kündigte gegenüber SZ.de an: "Sollte Herr Range tatsächliche keine Ermittlungen aufnehmen wollen, dann werde ich dafür sorgen, dass er sehr zügig vor dem Bundestag dazu Stellung nehmen muss."
Über die Frage, in welchem Ausschuss des Bundestages das geschehen könnte, kündigt sich ein parlamentarischer Streit an. Renate Künast (Grüne), Vorsitzende des Rechtsauschusses, beansprucht Range für ihr Gremium. "Dem Generalbundesanwalt liegt eine Einladung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vor", sagte Künast. "Wir erwarten, dass er uns dort so schnell wie möglich über den Stand des Verfahrens aufklärt."
Flisek dagegen hält "nichts davon, dass sich jetzt jeder Ausschuss dem Thema NSA annimmt". Die "erste Adresse dafür ist der NSA-Untersuchungsausschuss", sagte Flisek.
Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki bezeichnete die "beabsichtigte Entscheidung" der Bundesanwaltschaft als "Bankrotterklärung des Rechtsstaates gegenüber kriminellen Aktivitäten, die sich gegen die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland gerichtet haben". "Man hat bei der Generalbundesanwaltschaft den Eindruck einer vorauseilenden Feigheit vor dem Freund", erklärte Kubicki in Berlin. "Als rechtschaffender Bürger unseres Landes kann man sich nur schämen."
"Fassungslosigkeit" und massive Kritik
Auch aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKgr) des Bundestags kommt Kritik. Der Grüne Hans-Christian Ströbele nannte die Entscheidung von Generalbundesanwalt Harald Range im Deutschlandfunk "nicht nachvollziehbar". Es gebe genug Zeugen, die er in Ermittlungen befragen könne. Etwa Journalisten und Edward Snowden selbst. Range traue sich nicht, gegen die NSA vorzugehen, sagt Ströbele. Das PKgr kontrolliert die deutschen Geheimdienste.
Ähnlich wie Ströbele äußert sich Konstantin von Notz gegenüber SZ.de. Es sei eine "befremdliche Entscheidung", die der Generalbundesanwalt getroffen habe, sagt der grüne Obmann im NSA-Untersuchungssauschuss des Bundestages. Er könne nur hoffen, dass die Bundesregierung "keinerlei Einfluss" auf den Generalbundesanwalt genommen habe. Es bleibe das ungute Gefühl, dass in der Krise des Rechtsstaats gerade dessen Institutionen versagen, auf diese Krise zu reagieren. "Die Bundesregierung mauert, die Bundeskanzlerin schweigt, der Generalbundesanwalt verweigert sich, die Ministerien tun nichts gegen die Massenüberwachung und die Spionage", sagte von Notz. Allein der Untersuchungsausschuss versuche noch aufzuklären und Konsequenzen zu fordern. "Aber auch der steht unter dem illegitimen Druck der Bundesregierung."
Mit "Fassungslosigkeit" und massiver Kritik an der Justiz reagierte Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Thilo Weichert auf den Verzicht von Ermittlungen in der NSA-Spähaffäre. "Die Arbeit von uns Datenschutzbehörden wird ad absurdum geführt", sagte Weichert in Kiel. "Als Datenschutzexekutive müssen wir immer wieder feststellen, dass die Justiz oft unwillig ist, sich mit derartigen Rechtsbrüchen zu befassen."
Der Obmann von CDU und CSU im NSA-Ausschuss, Roderich Kiesewetter, nimmt Range hingegen gegen Vorwürfe und Verdächtigungen in Schutz, er hätte auf Druck von oben gehandelt: "Wer die Unabhängigkeit der Justiz schätzt, der tut gut daran die Entscheidung des Generalbundesanwaltes zu respektieren", sagte Kiesewetter zu SZ.de.
Bürgerrechtsgruppen hatten Strafanzeige gestellt
Die Bundesanwaltschaft sieht keine Möglichkeiten, an belastbares Material über die Aktivitäten der Amerikaner und des britischen Geheimdienstes GCHQ zu kommen. Dies berichteten Süddeutsche Zeitung sowie WDR und NDR unter Berufung auf Behördenkreise.
Die Anklagebehörde in Karlsruhe hatte zwei Vorwürfe geprüft: Einer betraf das massenhafte Ausspähen der Bürger in Deutschland, der andere den konkreten Vorwurf, dass jahrelang das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgehört wurde.
Die Überwachung von Merkels Handy wurde Medienberichten zufolge erst im Sommer 2013 gestoppt. Die CDU-Vorsitzende soll bereits seit 2002 von der NSA abgehört worden sein. Dass die Kanzlerin belauscht wurde, brachte den NSA-Skandal in Deutschland erst richtig ins Rollen.
Mehrere Bürgerrechtsgruppen hatten Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gegen die Bundesregierung und Geheimdienstmitarbeiter erstattet. Die Internationale Liga für Menschenrechte, der Chaos Computer Club und der Verein Digitalcourage werfen der Bundesregierung und den hiesigen Geheimdiensten vor, mit der NSA zusammengearbeitet und Daten an sie weitergegeben zu haben.