NS: Wilfried von Oven:Der Tod des Nazis

Seinen Lehrmeister Goebbels hat er nie vergessen: Der NS-Propagandist und späterer Spiegel-Korrespondent Wilfried von Oven starb in Argentinien.

Jörg Schule

Der alte Mann hat für den Fernsehhistoriker Guido Knopp im ZDF gern noch einmal über den Nationalsozialismus parliert - jetzt, wo dem Medium die Zeitzeugen ausgehen. Da saß er dann, ganz harmlos, die Haare nach hinten gekämmt, die Augen klar.

Wilfried von Oven

Ein deutscher Verblendeter: Wilfried von Oven.

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Hier redete noch einmal der Pressereferent des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels, der es sich nach dem Ende des NS-Horrors in Argentinien gutgehen ließ und der anfangs sogar für zwei bekannte Medien der aufstrebenden Bundesrepublik schreiben durfte, für den Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Hitlers Werber durfte irgendwie weitermachen und gab den Part des Unbelehrbaren. In Knopps "Hitlers Helfer", dritter Teil, sagt er über Goebbels: "Er hatte durchaus auch negative Züge entwickelt, die ich absolut auf seine schweren Kindheitserlebnisse zurückführe." Von der Hetzpropaganda seines alten Meisters spricht der Verharmloser nicht.

Das war Wilfried von Oven, ein deutscher Verblendeter, der am 14. Juni im Alter von 96 Jahren gestorben ist, und der mit seiner Person an Deutschlands schlimmste Zeit erinnerte. Er sei "ein Mann des Wortes, ein Propagandist, ein Nationalsozialist" gewesen, erklärt Holger Meding, Privatdozent für iberische und lateinamerikanische Geschichte an der Uni Köln im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Für die Tagespresse sei Oven im NS-Staat zuständig gewesen, und er habe auch Entwürfe zu Reden von Goebbels geliefert. Meding weiter: "Er war ein Provokateur, selbst im Dritten Reich, auch gegenüber Goebbels, der ihn fast entlassen hätte."

"Nie der Typus Mitläufer"

Die Außenseiterrolle hat dieser schreibende Adlige gesucht und genossen. 1932 sei Oven sogar aus der NSDAP ausgetreten, sagt Experte Meding. Der Grund: Die Partei sei ihm nicht radikal genug gewesen: "Er war nie der Typus Mitläufer." Umso unbegreiflicher, dass er nach dem Krieg für Spiegel und FAZ aus Südamerika berichtete.

Oven war Kriegsberichterstatter in der Legion Condor, er gehörte also zu Hitlers Soldaten, die den spanischen General und späteren Diktator Franco unterstützten. Auch Polen und Russland waren Kriegsstationen. 1939 habe er als Propaganda-Kompanie-Mann an einem Massaker an Polen teilgenommen, schrieb die Zeitung Freitag 2004. Von 1943 bis April 1945 assistierte der Rechtsaußen dann Goebbels als Referent. In Lutz Hachmeisters Buch "Der Gegnerforscher" steht, er sei "Pressechef für den totalen Kriegseinsatz" gewesen.

Nach dem Krieg wandte sich Oven nicht einfach von der NS-Ideologie ab, sondern vertrat sie weiterhin nach außen. In zahlreichen Büchern verklärte er das "Dritte Reich". In der Online-Ausgabe des Sydney Morning Herald ist nachzulesen, wie Oven antwortete, als ihn der TV-Dokumentar Laurence Rees bat, seine Erfahrungen mit dem "Dritten Reich" in einem Wort zusammenzufassen: "Paradies" war die Antwort.

Die Los Angeles Times berief sich im Jahre 2000 auf einen Bericht der argentinischen Regierung, in dem Oven als "eine der Schlüsselfiguren in Neonazi- und neofaschistischen Netzwerken" genannt worden sei. Dazu passt eine Begegnung, die die Fotografen Susanne Schleyer und Michael J. Stephan mit ihm hatten, als sie im April 2001 in Buenos Aires eine Ausstellung über jüdische Emigranten und über Alt-Nazis zeigten, die Deutschland nach Kriegsende verlassen hatten.

Zuvor besuchten sie Oven - und bemerkten, dass Goebbels noch als Portrait an der Wand hing. Auch Hitler war vorhanden. Oven damals: "Selbstverständlich, wenn hoher Besuch kommt wie Sie, dann kommt der ins Schränkchen, aber wenn Sie wollen, hole ich ihn auch wieder vor. Ich selber geniere mich nicht, meinen Hitler vorzuzeigen, aber ich will auch niemanden kränken."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Oven in der Los Angeles Times von Hitler schwärmte.

Der Tod des Nazis

Als 1974 der FAZ-Korrespondent Walter Haubrich mit Oven in Buenos Aires zusammentraf, empfing ihn der frühere Adjutant des NS-Propagandaministers mit dem "Deutschen Gruß" und den Worten: "Heil Hitler, junger Germane!" Haubrich zufolge schwadronierte von Oven über Juden, die die Macht in Bonn ergriffen hätten.

Auf Online-Seiten von Rechtsextremen war Oven schon mal als Leitfigur zu finden, beispielsweise zu dessen 95. Geburtstag: "Anlass für uns, wenngleich auch nachträglich, unsere Glückwünsche darzureichen, handelt es sich bei von Oven doch nicht nur um einen unserer Lieblingsautoren, sondern auch um einen der wichtigsten nationalen Publizisten der Nachkriegszeit", heißt es dort.

Ein brauner Publizismus: Oven arbeitete nach dem Krieg unter anderem für die rechtsradikale deutschsprachige Tageszeitung Freie Presse Argentiniens, für die Deutschen Kommentare am Rio de la Plata, die neonazistische La Plata Ruf und die Deutsche National-Zeitung. Seine Bücher hießen "Finale Furioso, mit Goebbels bis zum Ende", "Ein 'Nazi' in Argentinien" oder "Mit ruhig festem Schritt".

Der Historiker Hans Sarkowicz konstatiert im Gespräch mit sueddeutsche.de, dass Oven Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre ein begehrter Redner bei rechtsradikal motivierten Veranstaltungen gewesen sei: "Zumindest in dieser Zeit war er eine der Schlüsselpersonen in der rechtsradikalen Szene in Deutschland." Der Spiegel, sein altes Blatt, schrieb 1994 über Oven: "In Deutschland tritt der rüstige Reisekader immer wieder als Vortragsredner rechtsextremer Vereine und als Autor für rechtsextremistische Strategieblätter wie Nation und Europa auf." Oven habe dazu geraten, die Rechte in Deutschland zu einer neuen "Bewegung" zu sammeln.

Bis zum Schluss keine Reue

Aufschlussreiche Einblicke bietet ein Porträt über Goebbels' Sprachrohr in der Los Angeles Times vom März 2000. Da schwärmte Oven von seiner ersten Begegnung mit Hitler, erzählte, wie er Tag für Tag mit Goebbels gespeist habe: "Ich hatte einen großen Respekt vor diesem Mann." So viel gemeinsame Zeit, aber: "Das jüdische Thema war keines unserer täglichen Unterhaltungen." Sie hätten nicht über den Holocaust gesprochen. "Ich wusste nichts darüber. Ich kann es nicht bestätigen."

Als der Interviewer ihn damals fragte, ob er Reue empfinde oder Zweifel an der NS-Ideologie, ging Oven darauf nicht ein. 1995 bezeichnete er in der spanischen Zeitung El Mundo den 8. Mai 1945, den Tag der deutschen Befreiung, sogar als Anfang einer nationalen Misere. Der Zusammenbruch des "Dritten Reiches" sei mit einem Massenblutbad einhergegangen, das die Alliierten angerichtet hätten.

Ovens Tod hat im rechten Lager Treuebekundungen ausgelöst. Mit "volkstreuen Grüßen" widmet ein User ihm die warmen Worte: "Heil Dir, Kamerad Wilfred von Oven! Du warst und bist uns ein Vorbild! Sein Tod ist ein großer Verlust für das bessere, anständigere Deutschland! Nun bist Du in Walhall ..."

Nach wie vor ist beeindruckend, wie sich die Türen für den strammen Goebbels- Begleiter in der Nachkriegszeit geöffnet haben. Als er Anfang der 1950er Jahre für den Spiegel aus Südamerika berichtete, war Oven mit einem Presseausweis ausgestattet, den Verleger Rudolf Augstein höchstpersönlich unterschrieben hatte. Angeblich hatte er Redakteuren des Nachrichtenmagazins ausgiebig über Goebbels erzählt.

Vieles war möglich

Mal hier ein Buch, mal dort ein Auftritt als Zeitzeuge, mal eine Story für den Spiegel, mal ein Referat vor rechten Zuhörern referiert - vieles war wohl möglich. Erst am 17. Februar 1992 tauchte eine brisante dpa-Meldung auf. Darin heißt es, die argentinische Justiz ermittle gegen Oven - "wegen mutmaßlicher Rechtfertigung von strafbaren Handlungen". Gegenüber der argentinischen Presse soll von Oven über Goebbels gesagt haben: "Ich hege größte Bewunderung für ihn." Außerdem habe er behauptet, für den Mord an Juden gebe es keine Beweise.

Da ist also im Juni ein Mann gestorben, der eventuell an einem Massaker beteiligt war, der mithalf, die Propaganda des Dritten Reichs zu stützen, der die verquere Ideologie in die neue Zeit nach 1945 schleppte und mit braunen Anhängern eifrig Kontakt pflegte. Er schaffte es, in der demokratischen Nachkriegswelt unbehelligt zu bleiben.

Ein prägnantes Beispiel: Im Spiegel berichtete der Reporter Dieter Schröder 1964 über den Aufenthalt des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke in Argentinien. Zum Abschiedsempfang des Staatsoberhaupts seien Vertreter verschiedener deutscher Gruppen geladen gewesen - bis hin zu dem "gegenwärtig prominentesten Nazi- und Eichmann-Bekannten, Wilfred von Oven".

Das wird Hitlers Helfer geschmeichelt haben.

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