NS-Verbrechen:Kaum bestrafte Mordmaschinerie

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Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen durch westdeutsche Justizbehörden seit 1945. Eine Zahlenbilanz, 2008. SZ-Grafik: Lisa Bucher; Quelle: Andreas Eichmüller (Foto: SZ-Grafik: Lisa Bucher; Quelle: Andreas Eichmüller, Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen durch westdeutsche Justizbehörden seit 1945, Eine Zahlenbilanz, 2008)

Gegen mehr als 170 000 mutmaßliche NS-Täter wurde ermittelt. Die Zahl derjenigen, die wie Oskar Gröning verurteilt wurden, ist verschwindend gering.

Von Robert Probst

Die schiere Menge ist beeindruckend - einerseits. Der niederländische Professor Christiaan F. Rüter hat in jahrzehntelanger Arbeit zahllose Urteile in der Bundesrepublik und der DDR gegen NS-Verbrecher gesammelt und auf insgesamt 50 863 Seiten in 63 Bänden veröffentlicht.

Die Urteile reichen von privaten Denunziationen über Kriegs- und KZ-Verbrechen bis zu den organisierten Massenvernichtungsverbrechen in Deutschlands "Euthanasie"-Anstalten und in den osteuropäischen Vernichtungslagern und Ghettos.

Und obwohl Rüters Projekt 2012 abgeschlossen worden ist, geht in Deutschland die Verfolgung von NS-Verbrechern weiter - anders als in den allermeisten europäischen Ländern, die schon in den 70er-Jahren einen "Schlussstrich" zogen, etwa in Österreich. Gleichwohl ist die Aufarbeitung kein Ruhmesblatt für die deutsche Justiz.

Die Befreiung von Auschwitz
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Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Etwa 7000 Menschen befanden sich noch in dem Lager - für immer gezeichnet von den Gräueltaten der Nazis. Bilder von damals und heute.

In den drei Westzonen und der Bundesrepublik wurde (die Militärgerichtsbarkeit der Alliierten bleibt unberücksichtigt) von 1945 bis 2005 insgesamt gegen 172 294 Personen wegen strafbarer Handlungen während der NS-Zeit ermittelt. Das erscheint angesichts der Monströsität der Verbrechen und der Zahl der daran beteiligten Menschen ein winziger Teil zu sein.

Doch es gab zahllose Hürden zu überwinden. Beweise und Zeugen mussten gefunden werden, was nach den Kriegswirren und später im Kalten Krieg schwierig war.

Und es haperte an Tatkraft: Im Justizapparat saßen anfangs dieselben Leute wie zur NS-Zeit. Viele machten sich nur mit Widerwillen an die Arbeit.

1969 wollten 70 Prozent einen Schlussstrich

Auch politisch wurde bald auf eine Beendigung der Verfahren gedrängt - worauf zahllose Amnestiegesetze und Verjährungsdebatten hinweisen. Die Bevölkerung selbst hatte ebenfalls genug von der Aufarbeitung der NS-Verbrechen; 1969 etwa wollten 70 Prozent der Bürger einen Schlussstrich.

Der Frankfurter Auschwitz-Prozess Mitte der 60er Jahre: Sechs der 20 Angeklagten wurden zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. (Foto: dpa)

Das alles führte dazu, dass letztlich "nur" 16 740 Anklagen zustande kamen. 14 693 Angeklagte mussten sich verantworten - 6656 Verurteilungen zählt die Statistik (siehe Grafik auf Seite 11) und 5184 Freisprüche, oft aus Mangel an Beweisen.

Die meisten Verurteilungen (rund 60 Prozent) endeten mit geringen Haftstrafen von bis zu einem Jahr. Nur neun Prozent aller Haftstrafen waren höher als fünf Jahre. In 68 Fällen gab es ein Urteil wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, in 204 Fällen wegen Mordes, in 458 Fällen wegen Beihilfe zum Mord.

Immerhin: In den vergangenen Jahren kamen noch einige Urteile hinzu. Vom Schlussstrich-Gedanken hat man sich in Deutschland verabschiedet.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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