NS-Verbrechen:Haus der Aufarbeitung

Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen

In Ludwigsburg werden die Akten über NS-Verbrecher ausgewertet. Am Leben sind kaum noch welche.

(Foto: Marijan Murat/dpa)
  • Am Mittwoch und Donnerstag treffen sich die deutschen Justizminister in Stuttgart.
  • Auf der Konferenz soll beschlossen werden, die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg dauerhaft zu erhalten.
  • Da es fast keine lebenden NS-Verbrecher mehr gibt, soll die Ermittlungsbehörde zu einem Zentrum für Forschung und Information werden.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hatte zuletzt kaum Gelegenheit für glanzvolle Auftritte. Wegen des Hungertods eines unter Wahnvorstellungen leidenden Häftlings in der JVA Bruchsal ist er schwer in Bedrängnis geraten. Einen Entlassungsantrag der CDU musste die grün-rote Mehrheit bereits abwehren. Und sollte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Anstaltsleiter wegen fahrlässiger Tötung eröffnen, würde sich die Frage nach der politischen Verantwortung des Ministers neu stellen.

Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche aber hat Rainer Stickelberger ein Heimspiel. Er ist in Stuttgart Gastgeber der Justizministerkonferenz, und er kann mit einem ureigenen Thema aufwarten.

Die Zukunft der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg hat Stickelberger als einen von 38 Punkten auf die Tagesordnung gesetzt. Die Konferenz soll sich zur dauerhaften Fortführung der Zentralstelle bekennen: zunächst weiter als Ermittlungsbehörde, später dann als Forschungs- und Informationszentrum. Stickelberger ist überzeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen zustimmen werden.

Mitarbeiter sollen sich künftig auch um Forschung und Information kümmern

Es ist schon erstaunlich, wie die Zentralstelle, untergebracht in einem ehemaligen Frauengefängnis, zum Prestigeobjekt geworden ist. Nach ihrer Gründung durch eine Verwaltungsvereinbarung der Bundesländer 1958 galt sie vielen als Schandfleck, bestenfalls als notwendiges Übel. Doch mit der Zeit gewannen die Ermittler Respekt, ihre Kompetenzen wurden erweitert. Kurt Schrimm, Leiter der Stelle seit 2000, begann damit, seine Mitarbeiter weltweit nach Akten suchen zu lassen. In diesem Herbst geht Schrimm in Pension. Stickelberger wird in Stuttgart einen Nachfolger vorschlagen. Den Namen gibt er nicht preis, doch handelt es sich wie bei Schrimm um einen Oberstaatsanwalt, respektive eine Oberstaatsanwältin. Die Zentralstelle soll also weiter ermitteln.

Ob das noch Sinn ergibt und die Institution überhaupt noch nötig ist, wird angesichts des Alters der potenziellen Täter ja immer wieder bezweifelt. In Lüneburg steht der ehemalige SS-Mann Oskar Gröning mit 93 Jahren vor Gericht, in Schwerin ist ein 94-jähriger SS-Sanitäter angeklagt. Die Vorarbeit für beide Verfahren leistete die Zentralstelle. Schon bald wird es niemanden mehr geben, gegen den sich ermitteln lässt. Dann soll die Zentralstelle ein Ort der Forschung und der Information werden. Historiker sind dann gefragt. Derzeit kostet der Betrieb der Zentralstelle die Bundesländer jährlich 1,24 Millionen Euro, wovon Baden-Württemberg etwa 160 000 Euro aufbringt. Bei diesem Budget soll es bleiben.

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