NS-Propagandabuch:Wie die Welt Hitler sah

Humor, für die Nazi-Propaganda instrumentalisiert: In den dreißiger Jahren erschien eine Sammlung von Karikaturen auf Adolf Hitler aus nationaler und internationaler Presse. "Vom Führer genehmigt" und in seinem Sinne umgedeutet. Aus heutiger Perspektive kündigten die Bilder eine düstere Zukunft an. Eine Auswahl.

Matthias Kohlmaier

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Adolf Hitler verneigt sich vor Paul von Hindenburg, 1933

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Humor, für die Nazi-Propaganda instrumentalisiert: In den dreißiger Jahren erschien eine Sammlung von Karikaturen auf Adolf Hitler aus nationaler und internationaler Presse. "Vom Führer genehmigt" und in seinem Sinne umgedeutet. Aus heutiger Perspektive kündigten die Bilder eine düstere Zukunft an. Eine Auswahl.

Von Matthias Kohlmaier

Am 31. Juli 1932 wurde Adolf Hitlers NSDAP bei der Reichstagswahl erstmals stärkste Fraktion, wenige Monate später hatte Hitler sein Ziel endgültig erreicht. Er war auf legalem Weg zum Reichskanzler aufgestiegen.

Um dem "Führer" die Unterstützung der Massen zu sichern, investierte die braune Propaganda in der Folge eine Menge. Selbst vermeintliche Spott- und Zerrbilder Hitlers aus nationaler und internationaler Presse wurden zusammengetragen und im Sinne des "Führers" umgedeutet und kommentiert. Das Buch Hitler in der Karikatur der Welt vom damaligen Auslandspressechef der NSDAP, Ernst Hanfstaengl, erschien 1933. Fünf Jahre später folgte eine überarbeitete Volksausgabe, aus der Süddeutsche.de ausgewählte Beispiele zeigt.

Im Bild: Adolf Hitler mit Reichspräsident Paul von Hindenburg am "Tag von Potsdam", dem 5. März 1933. An diesem Tag nahmen das neugewählte Parlament und der Reichskanzler Hitler ihre Arbeit formal auf.

"Hitler-  In der Karrikatur der Welt
(vom Führer genemigt)"

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Simplicissimus, München, 2. Januar 1928

Mehr Hoffnung denn Realität: Der Karikaturist des Simplicissimus vermutete Anfang 1928 noch, die NSDAP würde sich durch parteiinterne Flügelkämpfe mittelfristig selbst zerfleischen. Und zwar so lange, "bis Hitler allein übrig bleibt".

Der Verfasser von "Hitler in der Karikatur der Welt" stimmt der Zeichnung zehn Jahre nach ihrem Erscheinen sogar teilweise zu - nicht ohne Ironie, versteht sich. Die NSDAP habe sich zwar nicht gespalten, "aber Hitler ist in der Tat allein übrig geblieben". Im Klartext: 1938 waren längst sämtliche anderen Parteien verboten, außer Hitler gab es tatsächlich keine Parteiführer mehr.

"Hitler-  In der Karrikatur der Welt(vom Führer genemigt)"

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Simplicissimus, München, 11. Juni 1928

Auch ein halbes Jahr später begegnete der Simplicissimus Hitlers Partei noch mit den Mitteln der Satire, leider aber auch mit verhängnisvoller Kurzsichtigkeit. "Stimmenanzahl ist nicht entscheidend", wird da in der Bildunterschrift unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Reichstagswahl vom 20. Mai 1928 geurteilt.

Die NSDAP hatte zwar bei der Wahl nur 2,6 Prozent der Stimmen und damit unbedeutend erscheinende zwölf Sitze im Reichstag gewonnen. In einzelnen ländlichen Gebieten Norddeutschlands lag der Stimmenanteil der Rechtsextremisten jedoch schon damals bei teilweise mehr als 30 Prozent.

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Vorwärts, Berlin, 17. April 1931

Diese Karikatur bezieht sich auf den Erwerb des "Adelspalais" am Münchner Königsplatz, dem späteren "Braunen Haus", durch die NSDAP. Anfang 1931 hatte die Partei ihren Hauptsitz dorthin verlegt - aber erst nachdem die Räumlichkeiten für viel Geld nach Hitlers Vorstellungen umgestaltet worden waren.

Der Zeichner der Karikatur hoffte wohl, die NSDAP hätte sich durch dieses Vorhaben hoffnungslos überschuldet. Dem bei einer Besichtigung Venedigs dargestellten "Führer" wurde Größenwahn unterstellt. Die nationalsozialistische Propaganda dagegen stellt Jahre später zufrieden fest, die NSDAP besitze mittlerweile in München noch eine Reihe weitere Häuser, "und viele deutsche Städte erhielten inzwischen ihr Parteihaus".

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Vorwärts, Berlin, 28. April 1931

Bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 hatte die NSDAP bereits 107 Mandate gewonnen, war zweitstärkste Kraft hinter der SPD geworden. Schon im Januar 1931 trat die Partei in Thüringen und Braunschweig in Koalitionsregierungen ein. Das SPD-Blatt Vorwärts jedoch glaubte noch immer, die NSDAP bewege sich im Krebsgang viel zu langsam voran, um ihr Ziel - eine NS-Diktatur - jemals zu erreichen.

1938 konnte die braune Propaganda diese Vermutung leicht widerlegen: "Tatsächlich ist Hitler mit seinem nationalsozialistischen Krebs schließlich so schnell vormarschiert, dass die Gegner nicht nur abmarschierten, sondern sich selbst entleibten." Der Seitenhieb auf die politischen Gegner wirkt vor dem Hintergrund der systematischen Verfolgung politisch Andersdenkender besonders pervers.

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Daily Advertiser, Tiffin (Ohio/USA), Oktober 1931

Seit Anfang der dreißiger Jahre und dem massiven Stimmengewinn der NSDAP wurde international deutlich intensiver über Hitler und seine Getreuen berichtet. In dieser Zeichnung wird Hitler als "komödiantenhafter, eitler Nachahmer großer Vorbilder" dargestellt, wie es in dem Propagandabuch heißt.

Die Illustration mit Pickelhaube und Säbel lässt bereits die Furcht durchblicken, Deutschland könnte unter Adolf Hitler wieder zum militärischen Aggressor vergangener Tage werden. Die NS-Propaganda dagegen hält nur fest, Hitler habe niemanden nachgeahmt und sei "selbstständig seinen Weg bis zum Volkskanzler" gegangen.

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Simplicissimus, München, 1. Mai 1932

Prinz August Wilhelm von Preußen (links im Bild) war der vierte Sohn des Deutschen Kaisers Wilhelm II. - und brachte es in der NS-Zeit bis zum hohen SA-Führer. "Auwi", wie der Prinz im Volksmund genannt wurde, trat 1930 in die NSDAP ein und war der Partei anfangs von großem Nutzen. Mit einem Mitglied der früheren Monarchie ließen sich besonders monarchistisch orientierte Kreise für die NSDAP begeistern, die ihr zuvor noch skeptisch gegenüberstanden.

Zu der Karikatur bemerkt der Verfasser lapidar, Hitler sei "zur Macht gekommen durch das Vertrauen und die Liebe der Mehrheit". Die "Gnade" der Mehrheit habe er ohnehin nie gewollt.

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Der Wahre Jacob, Berlin, 31. Dezember 1932

Die NSDAP war bei der Reichstagswahl am 31. Juli zur stärksten Fraktion aufgestiegen und dies nach dem erneuten Urnengang am 6. November 1932 auch geblieben. Wichtigstes Ergebnis der November-Wahl war jedoch: Die bürgerlichen Parteien verfügten weiterhin über keine parlamentarische Mehrheit, Kanzler Franz von Papen (Zentrumspartei) trat zurück. Und die Eingaben an Reichspräsident Hindenburg, nun endlich Hitler zum Kanzler zu ernennen, wurden zahlreicher.

Die sozialdemokratische Satirezeitung Der Wahre Jacob zeigte noch im Dezember 1932 einen weinenden Hitler, der doch so gern Diktator wäre. Das zeugt entweder von einer Menge Humor - oder einer gehörigen Blindheit gegenüber der nationalsozialistischen Gefahr.

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The Chicago Daily News, Chicago/USA, 2. Februar 1933

"Hitler sitzt nicht auf der Spitze eines Helmes, sondern wird von dem Vertrauen und den breiten Schultern des ganzen deutschen Volkes getragen", entgegnet der Verfasser dieser in den USA erschienenen Karikatur. Erst zwei Tage vor Veröffentlichung der Zeichnung war Hitler als Reichskanzler vereidigt worden.

Noch konnte man sich aber ganz offensichtlich in den USA nicht vorstellen, dass Hitler tatsächlich innerhalb weniger Monate eine Diktatur installieren und Deutschlands Militarisierung vorantreiben könnte. Es kam anders.

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St. Louis Globe, St. Louis/USA, 4. Februar 1933

Die Haltung der USA wird auch in diesem Spottbild recht deutlich. Das wilde deutsche Staatsross, das in den 14 Jahren seit Ende des Ersten Weltkriegs bereits 14 Reichskanzler abgeworfen hatte, werde der "kleine" und unerfahrene Hitler kaum reiten können. Im Hintergrund steht Reichspräsident Hindenburg und mahnt: "Du hast gesagt, du könntest es reiten. Jetzt beweis es!"

Aus propagandistischer Perspektive saß Hitler jedoch "fest im Sattel" und der Reichspräsident habe ihm "seine freudige Anerkennung" nicht versagt, wie der Autor bemerkt. Letzteres lässt sich auch aus heutiger Sicht nicht widerlegen. Noch in seinem politischen Testament erklärte Hindenburg sinngemäß, die Erhebung Hitlers zum Reichskanzler sei die richtige Entscheidung gewesen.

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L'Ami du Peuple, Paris/Frankreich, 7. Februar 1932

Die Geschichte wiederhole sich, mutmaßte eine französische Zeitung kurz nach Hitlers Machtergreifung. Angesichts der verschiedenen Bartmoden heißt es: vorgestern Wilhelm II., gestern Hindenburg, heute Hitler, morgen Wilhelm II. Dahinter steht der Trugschluss, die nationalsozialistische Herrschaft werde schon bald wieder in ein Kaiserreich übergehen.

In der regimetreuen Veröffentlichung Hitler in der Karikatur der Welt wird das mit beißendem Spott aufgenommen. Das französische Blatt drücke damit aus, Deutschlands Bürger "möchten sich nach wie vor in der französischen Barbierstube 'einseifen' lassen". Ein deutlicher Seitenhieb gegen den "Erzfeind" Frankreich und den als Schmach empfundenen Friedensvertrag von Versailles.

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The New York Times, New York/USA, 2. April 1933

Eine düstere - und in vielerlei Hinsicht wahre - Zukunftsprognose lieferte die New York Times mit dieser Karikatur. Hitler führt die gefesselte Germania als Sinnbild der deutschen Nation in ein "dunkles Zeitalter", wie es auf dem Wegweiser im Bild heißt.

Wie düster die Zukunft wirklich werden würde, zeigte sich einen Tag vor der Veröffentlichung der Karikatur. Am 1. April 1933 rief das Nazi-Regime zum landesweiten Boykott jüdischer Geschäfte, Banken, Arztpraxen und anderer Einrichtungen auf.

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The Nation, New York/USA, Frühjahr 1933

Die Karikatur zeigt eine Kanone mit dem Antlitz Hitlers, die eine Friedenstaube herausschießt, darunter Soldaten und das Hakenkreuz. Die Befürchtung, Hitlers Friedensbeteuerungen seien Lügen und Deutschland werde wieder zu einem aggressiven Militarismus zurückkehren, bestätigte sich wenige Jahre später.

Die braune Propaganda dagegen rühmt in ihrer Erklärung des Bildes den Friedenswillen des Regimes: "Am 15. Juli 1933 schließt Deutschland mit England, Italien und Frankreich in Rom den 'Viermächtepakt', der den Frieden in Europa auf zehn Jahre sichern soll." Verschwiegen wird, dass der Viermächtepakt zwar unterzeichnet, aber niemals ratifiziert wurde.

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Leningradskaja Prawda, Leningrad/Sowjetunion, 4. März 1933

Diese sowjetische Karikatur aus dem März 1933 behauptet, das einzige Programm von Hitlers Regierung sei: "Aufhängen und Erschießen." Bereits die ersten Monate der NS-Herrschaft waren von systematischer Verfolgung, Verhaftung und teilweise auch der Ermordung Oppositioneller gekennzeichnet.

Der Verfasser der Volksausgabe greift im Gegenzug die Zustände im stalinistischen Sowjetrussland auf und behauptet, dem Nationalsozialismus sei es zu verdanken, "dass Deutschland von den Methoden des Aufhängens und Erschießens, die in Russland seit 1917 an der Tagesordnung sind" verschont geblieben sei.

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Waak, Amsterdam/Niederlande, 5. Juni 1933

Bild und Bildunterschrift sagen bei dieser von einer niederländischen Zeitung veröffentlichten Karikatur alles. Hitler hatte demnach einen Pakt mit dem Tod geschlossen. Doch selbst hier (er)findet der Autor der NS-Propaganda noch eine Rechtfertigung, indem er behauptet: "Hitlers Gegner haben über 300 ermordete Nationalsozialisten auf dem Gewissen."

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The Evening Standard, London/England, 26. Juni 1933

"Diese Karikatur vermisst sich, Hitler wegen bewusster Aufgeblasenheit und Ziellosigkeit zu verhöhnen", heißt es zynisch in dem Propaganda-Werk. Ob Hitler bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich "jede zielführende Strategie fehlte", wie es auf dem Zettel im Bild heißt, lässt sich nicht genau sagen.

Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 hatte die NSDAP jedoch ihre Alleinherrschaft längst zementiert. Hitler hatte den Grundstein gelegt für das verhängnisvolle "Tausendjährige Reich", das am Ende zwölf Jahre dauern und für viele Millionen Menschen den Tod bedeuten sollte.

© Süddeutsche.de/mikö/lala
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