Als die 18-Uhr-Prognosen von ARD und ZDF kommen, bricht minutenlanger Jubel im CDU-Zelt in der Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf aus. Mit Bier, Sekt und Mini-Mettbrötchen feiern die Christdemokraten in der Mai-Sonne ihren Spitzenkandidaten Hendrik Wüst. Der befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in seinem Arbeitszimmer, ein paar Stockwerke drüber.
Mit 35 Prozent liegt die CDU deutlich vor der SPD, die Prognosen sehen die Sozialdemokraten zu diesem Zeitpunkt bei 27,5 Prozent. Damit schafft die CDU mit Wüst sogar zwei Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2017, damals noch mit Armin Laschet.
Der noch amtierende NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst will weitermachen, er sieht einen "klaren Regierungsauftrag für mich und die CDU in Nordrhein-Westfalen". Das sagte der 46-Jährige kurz nach der Prognose. Der Münsterländer Wüst dankte seinem Kabinett, der Fraktion und der Parteizentrale: "Team Wüst, ihr seid der Hammer." Weiteren Dank richtete er an die FDP und an seine Ehefrau Katharina, in dieser Reihenfolge.
Blitzanalyse NRW-Wahl:Ein Misstrauensvotum gegen den Kanzler
Die CDU jubiliert und muss zugleich noch kämpfen; für SPD und Liberale sind die schönen Zeiten nach der Bundestagswahl schon Geschichte. Und die Grünen? Sie segeln auf einer Woge der Anerkennung - und stehen vor dem nächsten schwierigen Schritt.
Wirtschaftliche müsse mit ökologischer Kompetenz verbunden werden, um das Land voranzubringen, so Wüst weiter. Die Zeichen stehen also wohl auf Schwarz-Grün, denn die Grünen heimsten ihr historisch bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in NRW ein, die Prognose sah sie bei 18 Prozent. Wüst kündigte jedoch an, nun mit allen demokratischen Parteien über eine mögliche Regierungsbildung reden zu wollen. Eine Mehrheit hätten zurzeit Schwarz-Grün, eine Ampel oder eine große Koalition.
Der bisherige Regierungspartner der CDU, die FDP, stürzt auf 5,8 Prozent ab. Das heißt, es wird in Nordrhein-Westfalen definitiv keine Fortsetzung einer schwarz-gelben Landesregierung geben. "NRW-Koalition" hatten die beiden Parteien das immer sehr selbstbewusst genannt.
"Bittere Niederlage für die FDP"
Die desaströse Bildungspolitik ihrer Schulministerin in der Corona-Pandemie hat die FDP wohl viele Prozentpunkte gekostet. Bei der Landtagswahl 2017 hatte sie noch bei 12,6 Prozent gelegen. NRW-FDP-Chef Joachim Stamp sprach von einer "bitteren Niederlage".
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) fühlt mit der FDP mit. Er sagte auf der Wahlparty: "Wir haben hier toll mit der FDP zusammengearbeitet, aus Landessicht hat die FDP das Ergebnis, das sich leider abzeichnet, nicht verdient." Für ihn ist seine Partei der Wahlsieger, "die Grünen aber auch", so Laumann, "ich bin ganz happy, freue mich riesig". Die CDU habe nun "politisch und moralisch den Regierungsauftrag", sagte Laumann.
Auch CDU-Innenminister Herbert Reul war bestens gelaunt. Reul ist zurzeit NRWs beliebtester Minister und war das Zugpferd von Wüsts Wahlkampf, er sagte: "Das geht jetzt wie folgt: Erst mal wird festgestellt: Wer ist der Sieger? Dann muss der Sieger - und das wird Hendrik Wüst sein - mit den anderen demokratischen Parteien, also ohne AfD, reden. Und dann gucken wir: Mit wem kommen wir in der Sache gut klar?"
Wüst war bis zur Landtagswahl erst knapp 200 Tage im Amt des NRW-Ministerpräsidenten gewesen. Er folgte im vergangenen Oktober auf den damaligen Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet.
Am Morgen hatte Wüst gemeinsam mit seiner Ehefrau in seiner Heimatstadt Rhede im Münsterland seine Stimme abgegeben. Anders als sein Vorgänger schaffte er es, den Wahlzettel korrekt zu falten. Bei der Stimmabgabe zur Bundestagswahl 2021 hatte der glücklose Kanzlerkandidat Laschet seinen Wahlzettel so gefaltet, dass seine Kreuze sichtbar gewesen waren.
SPD:Trotzig nach der Niederlage
Der Traum von einem Wiederaufstieg der SPD in Nordrhein-Westfalen ist zerbrochen. Doch Spitzenkandidat Kutschaty hofft noch, als Zweiter der Wahl Erster im Land zu werden.
Natürlich war bei Wüsts Stimmabgabe auch Pippa dabei. In Wüsts Wahlkampf hatte seine 13 Monate alte Tochter eine große Rolle gespielt - ob auf Instagram, in seinen Reden oder im Interview mit der Klatschzeitschrift Bunte.
Im Wahlkampf hatte sich Wüst präsidial gegeben, kein schlechtes Wort über seinen Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD war ihm über die Lippen gekommen. In sein Wahlkampfteam hatte er frühere Berater von Angela Merkel geholt. Den einstigen skandalumwobenen Scharfmacher aus seiner Zeit als Generalsekretär unter dem früheren NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers suchte man vergebens. Wüst inszeniert sich nun gerne als NRWs oberster Kümmerer.