Mehr als 32 000 Menschen haben am Mittwoch in Düsseldorf gegen Sparmaßnahmen der nordrhein-westfälischen Landesregierung bei Sozialdiensten demonstriert. Die schwarz-grüne Koalition hat in ihrem Entwurf für den Haushalt 2025 drastische Kürzungen für so unterschiedliche Hilfen wie die Beratung von Aids-Kranken, Familien oder Geflüchteten, aber auch für Frauenhäuser, Pflege oder Armutsbekämpfung angekündigt. Aufgerufen zum Protest unter dem Motto „NRW, bleib sozial!“ hatten etwa Caritas und Diakonie, Rotes Kreuz und Arbeiterwohlfahrt.
Insgesamt will die NRW-Regierung ihre Zuschüsse für diverse Sozialprojekte um 83 Millionen Euro kürzen – eine vergleichsweise kleine Summe in einem Landeshaushalt mit einem Volumen von 105 Milliarden Euro. Über 90 Prozent dieser Gesamtausgaben sind jedoch fest verplant, etwa als Gehälter für Lehrer oder Polizisten oder für beschlossene Bauprojekte. Zahlungen an soziale Initiativen hingegen können jederzeit gestrichen werden – und NRW meldet Einbrüche bei den Steuereinnahmen.
Bei der Großdemo auf den Düsseldorfer Rheinwiesen bekundeten Politiker aller Parteien „Verständnis“ für die Proteste. Sozialminister Karl-Josef Laumann bedankte sich ausdrücklich bei der Menge und sagte: „Als Sozialpolitiker bin ich froh, dass Sie heute da sind.“ Hoffnung, dass die Kürzungen noch korrigiert würden, weckte der CDU-Politiker jedoch nicht.
Bei sozialer Sicherheit darf man nicht sparen, fordert die Opposition
SPD-Oppositionsführer Jochen Ott attackierte die schwarz-grüne Koalition und verwies darauf, dass die Regierung erst am Dienstag ein umfangreiches „Sicherheitspaket“ als Reaktion auf den Terroranschlag in Solingen beschlossen hatte: „Wer gestern 400 Millionen Euro für innere Sicherheit ausgeben kann, der hat auch hundert Millionen für soziale Sicherheit.“
An der Demonstration nahmen auch zahllose Eltern teil, die seit Jahren fehlende Kitaplätze und Angebotskürzungen bei der Betreuung ihrer Kinder beklagen. Tim Liptau, der 32-jährige Vater von Carlotta (3) und Theo (2) hielt am Rande der Kundgebung ein handgemaltes Plakat hoch: „Sind wir Euch wirklich egal?!“
NRW hat zwar die Zuschüsse für Kitas erhöht – aber die Mehrzahlung deckt nicht steigende Personal- und Energiekosten. Und es fehlen Betreuerinnen: Liptau muss regelmäßig aus dem Home-Office arbeiten oder berufliche Termine absagen, sobald auch nur ein Kita-Mitarbeiter sich krankmeldet.
NRW ist kein Einzelfall. Sogar das vergleichsweise reiche Bayern kürzte diese Woche freiwillige Leistungen für Pflegebedürftige und Familien. Sparen beim Sozialen – jedenfalls bei Hilfsangeboten, die anders als etwa Kranken-, Bürger- oder Arbeitslosengeld nicht gesetzlich garantiert sind – liegt längst im Trend, bundesweit.
Im Juni dieses Jahres alarmierte eine Umfrage der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege: Zwei Drittel der befragten Einrichtungen und Sozialverbände mussten wegen Geldmangels ihre Angebote für Suchtkranke, Pflegebedürftige, Familien oder Geflüchtete bereits einschränken oder komplett einstellen. Drei Viertel erwarteten weitere Kürzungen. Und siebzig Prozent der Befragten fürchteten, der Rotstift werde sich „auf das demokratische Engagement vor Ort negativ auswirken“.