Süddeutsche Zeitung

NRW:Schwarz-Gelb knirscht

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Die Koalition aus CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen gibt das Muster für Berlin vor. Sie zeigt aber auch, was man besser machen kann: die Personalauswahl.

Kommentar von Jan Bielicki

Es wird wohl knapp werden, sehr knapp. Da sind sich die Meinungsforscher einig, wenn sie vor dem Hintergrund der Umfragen dieses Monats auf die Bundestagswahl in gut vier Wochen blicken. Demnach werden wohl sieben Parteien den neuen Bundestag bilden, so viele wie seit 1953 nicht mehr. Und doch könnte es knapp reichen für eine Regierung in altbekannter Farbkonstellation, wie sie die Bundesrepublik so lange prägte wie keine andere: schwarz-gelb.

Die Union also zusammen mit der FDP - alles wie gehabt? Und das nur vier Jahre nachdem die Liberalen dieses Regierungsmodell krachend an die Wand gefahren und sich selber aus dem Bundestag geschleudert haben? Die chaotische Koalition von damals ist in der Tat nichts, womit der heutige Chef und Star der FDP wirbt. Ganz im Gegenteil: Christian Lindner hat seine Partei ja gerade mit der Behauptung wieder nach oben gebracht, dass sie nichts mehr mit dem allein auf Steuersenkung fixierten Haufen zu tun hat, auf dessen politische Zukunft 2013 kaum noch jemand setzte. Inzwischen hat Lindner die Liberalen in Mainz in eine Ampel, in Kiel in eine schwarz-gelb-grüne Jamaikakoalition geführt. In dem Land, aus dem er selbst kommt, führte er sie aber doch wieder ins Bündnis mit der CDU.

Christian Lindner hat sich in NRW für den Bund warmgelaufen

Natürlich gibt die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen das Muster auch für Berlin vor, sollten dort am Wahlabend die Zahlen reichen. Und natürlich war die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor nunmehr 100 Tagen so etwas wie eine kleine Bundestagswahl, abzüglich vielleicht jener Sondereffekte im Osten, die Linke und AfD stärken. Jeder fünfte deutsche Wähler lebt an Rhein und Ruhr. So war der NRW-Wahlkampf des FDP-Landesspitzenkandidaten Lindner selbstverständlich ein entscheidender Probelauf für den FDP-Bundestagsspitzenkandidaten Lindner. Die CDU wiederum erhielt hier die beruhigende Gewissheit, dass jemand, der quasi als kleines flüchtlingspolitisches Alter Ego der Kanzlerin stets voll auf Angela Merkels Linie lag, eine Wahl gewinnen kann, allen zweifelnden Zwischenrufen vom rechten Flügel der Union zum Trotz.

Doch inwieweit können Ministerpräsident Armin Laschet und sein schwarz-gelbes Bündnis in Düsseldorf als Modell für den Bund dienen? In den nahezu geräuschfrei geführten Koalitionsverhandlungen haben sowohl Laschet wie Lindner diese Vorbildrolle dezidiert abgelehnt. Eine pure "NRW-Koalition" solle sein Bündnis sein, versucht Laschet, bundespolitische Spekulationen zu dämpfen. Am Düsseldorfer Regierungshandeln lässt sich nicht ablesen, was an seiner Version von Schwarz-Gelb so anders sein soll als bei gleichgemusterten Vorgängern. Sichtbar wurde bisher nur Symbolisches: Manche Ministerien bekamen neue Namen und Eingangsschilder, der Ministerpräsident selbst zieht samt Staatskanzlei in ein neues, altes Amtsgebäude um.

Freilich sind seine Minister erst 55 sommerliche Tage im Amt. Doch hat Laschet selber sich knappe Fristen gesetzt, als er vor der Wahl mit einem ehrgeizigen 100-Tage-Sofortprogramm um Stimmen warb. Während der Wahlkampf im Bund läuft, müssen er und seine Koalition also liefern. Noch hat sein Kabinett kein einziges Gesetzesvorhaben in den Landtag gebracht. Noch ist der Koalitionsvertrag also nur eine 125-seitige Sammlung zum Teil recht teurer Versprechen.

Laschets Personalauswahl war nicht optimal

Dass es dennoch bereits knirschte in der Koalition, lag nicht an Friktionen zwischen den Bündnispartnern, sondern an Laschets Personalauswahl. Seine Landwirtschaftsministerin sah sich gleich mit unschönen Bildern aus dem Schweinemastbetrieb ihres Ehemannes konfrontiert. Auch jenseits der Skandalisierung wirft der Fall sehr wohl die Frage auf, ob es klug ist, jemanden mit einem Ressort zu betrauen, in dem er oder sie zwangsläufig auf eigene Betriebsinteressen stößt.

Erst recht gilt das für den Mann, den sich Laschet zum Medienminister erkor. Stephan Holthoff-Pförtner gab zwar seine Führungsämter in der Funke-Mediengruppe ab, nicht aber seine Anteile. Wie aber soll jemand unbefangen Mediengesetze machen, wenn er Mitbesitzer eines der größten Medienkonzerne des Landes ist? Klar ist: Laschet hätte Holthoff-Pförtner zum Minister für alles Mögliche machen dürfen, nur gerade für Medien nicht.

Oft messen sich Erfolg und Misserfolg einer Koalition nicht an den großen Linien, die ein Bündnisvertrag zieht, sondern an eher kleinen, bisweilen persönlichen Entscheidungen. Eine Stimme Mehrheit nur hat Laschet im Landtag. Das kann weit reichen, aber manchmal nicht weit genug - wie gerade in Niedersachsen. Dort war Rot-Grün auch mal als Blaupause für bundespolitische Ambitionen angelegt. Knapp vorbei ist auch vorbei.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2017
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