NRW: Rüttgers Rücktritt:Wer sagt's dem Chef?

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Für die meisten in der Union ist die Ära Rüttgers beendet. Die CDU-Basis ist sauer, dass ihn niemand zum Rückzug gezwungen hat. Nur Rüttgers selbst hofft noch auf ein politisches Wunder.

Bernd Dörries, Düsseldorf

Als wolle er sich noch einmal in Schwung reden gegen die anderen Parteien - so stellt sich der noch geschäftsführende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers am Samstag in die Düsseldorfer CDU-Zentrale. Von Lügen und Umfallern ist die Rede, so als lägen die Landtagswahlen nicht sechs Wochen zurück, sondern stünden erst kurz bevor. Vielleicht denkt Rüttgers das wirklich, hofft immer noch, dass es noch nicht vorbei ist mit seinem politischen Leben. "Wir werden uns darauf vorbereiten, dass die Minderheitsregierung schnell zu Ende gehen kann", sagt Rüttgers.

Der Machtkampf ist entschieden: Jürgen Rüttgers tritt bei der Neuwahl des Ministerpräsidenten nicht mehr an, auch Oppositionsführer möchte er nicht werden, nur Parteichef bleibt er vorerst. (Foto: dpa)

Ist "Wir" in Wahrheit "Ich"?, fragen sich nun viele in der CDU. Es geht um die Frage, ob Rüttgers den Verzicht auf die Gegenkandidatur bei der Ministerpräsidentenwahl und auf den Fraktionsvorsitz als Beginn seines Rückzuges sieht. Oder als letzte Chance. Die Partei erwartet von Rüttgers die Moderation des geordneten Übergangs - in die Opposition und zu neuen Personen.

Im Frühjahr wird der Landesvorsitz gewählt, bis dahin will Rüttgers noch als Parteivorsitzender amtieren - und er wird wohl noch auf die Wende hoffen. Schließlich habe er doch schon einmal das fast Unmögliche geschafft, das sozialdemokratische Nordrhein-Westfalen erobert, mag er sich denken. "Wenn es im Herbst schon Neuwahlen gibt, dann sieht sich Rüttgers immer noch als Spitzenkandidat", sagt einer aus dem CDU-Vorstand. Der Großteil der Partei sieht das anders, hat es dem Chef aber nicht so deutlich gesagt. Man hofft, dass er es selber merkt.

Mühen um ein stillvolles Ende

Es gibt ein Bemühen, auch der Rüttgers- Gegner, seine Ära einigermaßen stilvoll zu Ende zu bringen. An der Basis sei die Stimmung aber nicht gut, sagt einer aus dem Vorstand. Dort sei man sauer, dass niemand Rüttgers zum Rückzug gezwungen und so den Weg in die große Koalition ermöglicht habe.

Dieser Punkt wird nicht offen angesprochen bei den Sitzungen des Landesvorstandes, der zusammenkam, um zu beraten, wie es weitergeht, nachdem SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft mit den Grünen eine Minderheitsregierung bilden will - und man selber in die Opposition muss.

Rüttgers soll bei dem Treffen gesagt haben, es gebe ja nun allerlei Optionen, er könne sich vieles vorstellen, grundsätzlich auch, gegen Kraft anzutreten. Das hat ihm die Partei ausgeredet, wobei es offenbar nicht zu großen Verwerfungen kam.

Eine Gegenkandidatur, da war man sich schnell einig, mache keinen Sinn. Es gibt keine Hoffnung auf irgendeine Mehrheit. Kraft soll nun allein antreten, CDU und FDP geschlossen gegen sie stimmen, dann werde viel deutlicher, dass die künftige Ministerpräsidentin auch die Stimmen der Linken bekommen habe. Eine gute Grundlage für die Oppositionspolitik und künftige Kampagnen, so die Mehrheit der Wortmeldungen. Rüttgers stimmte zu. Viele in der Partei hatten den Eindruck, dass der noch geschäftsführende Ministerpräsident seit Wochenmitte versucht habe, die Stimmung auszuloten, ob er Unterstützung bekomme für die Übernahme des Fraktionsvorsitzes.

Es gab niemanden, der laut sagte, das wäre eine tolle Idee, und so ließ es Rüttgers bleiben - ob aus innerster Überzeugung oder aus der Einsicht, dass es sonst wohl einen Aufstand gegeben hätte in der Partei. Eitelkeit mag auch eine Rolle gespielt haben, er hatte in den vergangenen Wochen im engeren Kreis immer wieder davon erzählt, dass es nicht seinem Amtsverständnis entspräche, vom Ministerpräsidenten zum Fraktionschef zu werden. Öffentlich drückte er es so aus: "Ich habe mich eingesetzt für eine große Koalition, und ich werde nicht antreten im Landtag, um als Gegenpol zu einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit zur Verfügung zu stehen."

Als Rüttgers Nachfolger werden drei Kandidaten gehandelt: Sozialminister Karl-Josef Laumann (Foto), Integrationsminister Armin Laschet und Generalsekretär Andreas Krautscheid. (Foto: dpa)

Davor und danach wetterte er so sehr gegen die neue Minderheitsregierung und die Linken, dass das Wort Gegenpol eine freundliche Umschreibung ist. Jürgen Rüttgers wirkt, als sei er immer noch im Wahlkampf, als sei es noch nicht vorbei.

Das ist es aber wohl, auch Neuwahlen werden Rüttgers wohl nicht retten. Seine Spitzenkandidatur wäre in der Partei kaum durchzusetzen. Die Fraktion hat schon einmal klar gemacht, dass man für Ratschläge, wen sie denn zu wählen habe, nicht zur Verfügung steht. Als Kandidaten werden jene drei genannt, die in den vergangenen Wochen immer vorkamen, wenn in der CDU über einen Posten debattiert wurde: Sozialminister Karl- Josef Laumann, Integrationsminister Armin Laschet und Generalsekretär Andreas Krautscheid. Die Ministerien sind weg, jetzt gibt es nur noch einen wichtigen Job zu vergeben, es ist ein relativ offenes Rennen.

Zeit genug für den großen Streit

Laumann hat die besten Verbindungen in der Fraktion, ist recht beliebt, aber vielleicht nicht der Mann für das Detail, den es braucht für den Generalistenjob. Gegen Krautscheid spricht wenig, außer dass er manchem in der Partei zu sehr für das alte System Rüttgers steht, dem er treu diente. Bei ihm wird die Partei nun auf Absetzbewegungen achten.

Armin Laschet schließlich hat es bundesweit als erster Integrationsminister zwar zu einiger Bekanntheit gebracht, zum Landeschef fehlt ihm aber die breite Verwurzelung in der Partei, zum Fraktionschef könnte es reichen: Er könnte die Partei öffnen, ist aber auch noch katholisch genug. Am 6. Juli wird gewählt.

Bis dahin ist Zeit genug für den großen Streit. Oder für Rüttgers einzusehen, dass es wohl vorbei ist.

© SZ vom 21.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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