Regierungsbildung in NRW:Zum Jagen getragen

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Hannelore Kraft zierte sich lange: Nun aber kann die Minderheitsregierung der SPD in Düsseldorf handeln - und kann Angela Merkel das Regieren in Berlin erschweren.

Hans-Jörg Heims

Von Konrad Adenauer stammt die Erkenntnis, dass es in der Politik niemals zu spät sei. Es sei immer Zeit für einen neuen Anfang. Hannelore Kraft, die nordrhein-westfälische Spitzenkandidatin der SPD, ließ sich bei ihrer Entscheidung, nun doch mit den Grünen eine Minderheitsregierung zu bilden, wohl kaum von den Worten des CDU-Altkanzlers leiten. Eher hat sie sich dem massiven Druck der Bundespartei gebeugt. Kraft musste zum Jagen getragen werden. Und diese Berliner Intervention war notwendig, denn die SPD-Landeschefin lief Gefahr, das zu verspielen, was sie sich in den vergangenen sechs Wochen seit der Landtagswahl mühsam aufgebaut hatte.

Lachen für die Minderheitsregierung: Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Loehrmann (Grüne). (Foto: ag.ddp)

Ihre Absicht, aus der Opposition heraus die schwarz-gelbe geschäftsführend arbeitende Landesregierung zu zermürben, widersprach ihrer vehementen Forderung eines Politikwechsels. Nach all den Sondierungsgesprächen hätte die SPD-Landeschefin wissen müssen, dass es mit der CDU und großen Teilen der FDP keinen politischen Neuanfang in Düsseldorf geben würde. Eine Partei, die sich nicht einmal traut, den Mann zum Rücktritt zu zwingen, der für die schwere Wahlniederlage verantwortlich ist und diese Verantwortung am Wahlabend übernommen hat - wie will man mit einer solchen Partei Reformen in der Bildungspolitik durchsetzen?

Rüttgers' letzter Dienst

Rüttgers kann seiner Partei nun noch einen letzten Dienst erweisen und gegen Kraft im Landtag bei der Wahl zum Ministerpräsidenten antreten. Verliert er diese Abstimmung, ist seine Zeit endgültig abgelaufen. Für die CDU wäre es ein Armutszeugnis, sollte Rüttgers als Oppositionsführer weitermachen. Aus der Opposition heraus lässt sich Politik nur schwer mitgestalten. Opposition ist halt Mist, wie Franz Müntefering es formulierte. Auch eine Hannelore Kraft hätte daran nichts ändern können. Aber indem sie nun auf die Ratschläge weitaus erfahrener Leute in ihrer Partei hört, beweist Kraft wieder einmal ihre Lernfähigkeit. Sie widerlegt damit auch diejenigen, die sie mit der Bezeichnung "Kraftilanti" in die Nähe von Andrea Ypsilanti rücken wollten. Diese hatte sich in Hessen mit ein paar Getreuen eingebunkert und alle Ratschläge aus Berlin in den Wind geschlagen. Mit fatalen Folgen, wie sich zeigte.

Im Gegensatz zu Ypsilanti hat Kraft nun die große Chance, sich zur ersten Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen wählen zu lassen.

Zwei Dinge wird eine rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf leisten können: Im Bundesrat kann sie diverse Gesetze der schwarz-gelben Bundesregierung stoppen. Das Regieren wird damit für Angela Merkel schwieriger. Und sie wird Neuwahlen an Rhein und Ruhr vorbereiten. Denn nur auf diese Weise lassen sich wieder klare Verhältnisse herstellen. Für einen Neuanfang ist es nie zu spät. Gut für Nordrhein-Westfalen und die politische Kultur, dass sich Kraft schon jetzt und nicht erst im Herbst als eine Frau erweist, die auf den richtigen Weg zurückfinden kann.

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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