NRW nach der Wahl:Rüttgers kommt im Taxi

Nicht als Landesfürst, sondern als künftiger Partner wollte Jürgen Rüttgers zu den Sondierungsgesprächen mit der SPD kommen - und ließ den Dienstwagen stehen. Einig wurde man sich trotzdem nicht.

Bernd Dörries

Es sollte wohl schon äußerlich so aussehen, als komme hier nicht einer, der die Regeln diktiert, sondern ein künftiger Partner, der zu Kompromissen bereit ist. CDU-Landesvorsitzender Jürgen Rüttgers fuhr nicht im Dienstwagen, sondern in einem Großraumtaxi am Verhandlungsort vor, einem Hotel am Düsseldorfer Flughafen. Dort begannen am Donnerstag die Sondierungsgespräche über eine große Koalition in Nordrhein-Westfalen.

Sondierungsgespräche CDU - SPD

Sondierungsgespräche CDU - SPD Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), äußert sich am Donnerstag (27.05.2010) in Düsseldorf vor dem Verhandlungshotel. CDU und SPD wollen bei Sondierungsgesprächen die Chancen für eine große Koalition in Nordrhein-Westfalen ausloten. Foto: Oliver Berg dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

"Es ist klar, dass nicht jeder hier sein Wahlprogramm abarbeiten kann, sondern dass es notwendig ist, auf den Anderen zuzugehen - das muss jeder tun", sagte Rüttgers bevor er das Hotel betrat. SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft beschrieb sich selbst als "entspannt, ruhig und entschlossen".

Fast vier Stunden später kamen die beiden Kontrahenten wieder heraus und sagten in etwa das gleiche noch einmal. Es war zunächst einmal eine große Koalition der Worthülsen. Rüttgers will gute und ernsthafte Gespräche erlebt haben, Kraft sprach von einer "großen Ernsthaftigkeit" auf beiden Seiten. Am kommenden Dienstag will man sich erneut treffen, dann soll es auch um schwierige Themen wie die Bildungspolitik gehen.

Begonnen hat das Treffen am Donnerstag mit einer so genannten Generaldebatte, die für beide Parteien durchaus therapeutischen Charakter hatte. Sie sprachen über den Wahlkampf und die Verletzungen, die man sich gegenseitig zugefügt hat. Entschuldigungen gab es aber nicht. Inhaltlich wurde in der ersten Gesprächsrunde lediglich über Randthemen wie die finanzielle Situation der Kommunen und eine ökologische Industriepolitik gesprochen. In beiden Bereichen sind die Unterschiede nicht sehr groß.

Bei den Kommunalfinanzen waren beide Seiten der Ansicht, dass die Kommunen mehr Geld benötigen, ohne das Wie zu spezifizieren. Auch bei der ökologischen Industriepolitik gab es "gemeinsame Zielformeln, aber auch Differenzen". Während Kraft lediglich davon sprach, am Dienstag noch einmal zusammenzukommen, redete Rüttgers bereits über einen Gesprächshorizont von mehreren Wochen. Das liegt auch daran, dass einige seiner noch amtierenden Minister ihre Altersansprüche erst am 25. Juni geltend machen können und leer ausgehen würden, sollte die Regierung schon vorher abgelöst werden.

Jeder will das Amt für sich

Am Dienstag soll dann auch über Bildungspolitik gesprochen werden, dort liegen die Positionen am weitesten auseinander. Über Personalien wurde beim ersten Treffen noch nicht diskutiert. Sowohl CDU als auch SPD hatten davor aber klar gemacht, dass sie jeweils das Amt des Ministerpräsidenten für sich beanspruchen.

Hannelore Kraft kündigte nach dem Treffen an, die SPD-Parteimitglieder in die Entscheidung einzubinden, falls aus den Sondierungsgesprächen formelle Koalitionsverhandlungen werden sollten. An der sozialdemokratischen Basis gibt es erhebliche Widerstände gegen eine große Koalition. Als CDU und SPD in Berlin regierten, stürzten die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl in Nordrhein-Westfalen auf ein historisches Tief. Die Genossen befürchten deshalb, der Verlierer eines solchen Bündnisses auf Landesebene zu sein.

Viele Sozialdemokraten tendieren deshalb zu Neuwahlen oder dazu, eine große Koalition im Verlauf der Legislaturperiode zu beenden. Auch Hannelore Kraft würde sich Neuwahlen stellen. Bei der SPD hat man aber in den vergangenen Tagen realisiert, dass eine absolute Mehrheit, die für die Auflösung des Landtages notwendig ist, nicht so leicht zu erreichen sein dürfte. FDP und Linke haben wenig Interesse an einem erneuten Urnengang, da sie Gefahr laufen würden, nicht erneut den Sprung in den Landtag zu schaffen. Und auch die Abgeordneten der Grünen auf den hinteren Listenplätzen wollen nicht erneut um ihre Mandate zittern.

Im Herbst muss ein neuer Haushalt im Landtag eingebracht werden. In der CDU wird schon damit gedroht, mit dem alten Haushalt weiter zu regieren, falls ein neuer CDU-Entwurf keine Mehrheit bekommt. Verfassungsrechtlich sei das zumindest für ein halbes Jahr möglich. Es kann also noch eine Weile dauern, bis in Düsseldorf klar ist, wer das Bundesland mit dem höchsten Schuldenstand regieren wird.

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