Armin Laschet:Erst Vorsicht, dann die breite Brust

Lesezeit: 3 min

Mehr als nur einen Tick vor der SPD: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der Sieg der CDU sei ein "deutliches Signal in einem Land, das 50 Jahre von der SPD regiert worden ist". Der NRW-Ministerpräsident zeigt sich nach den Kommunalwahlen selbstsicher, während die SPD ein Viertel ihrer Wähler verliert.

Von B. Müller, J. Stegemann, Ch. Wernicke und J. Käppner, Düsseldorf/Köln/München

Wenn Politik, wie es heißt, die Kunst des Möglichen ist, dann dürfte Sebastian Hartmann diese Kunst am frühen Sonntagabend bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten getrieben haben. Die SPD, verkündete deren NRW-Landesvorsitzender, bleibe eine starke politische Kraft: "Im Vergleich zur Europawahl 2019 können wir unser Ergebnis landesweit deutlich verbessern." Außerdem sei man vor den Grünen gelandet. Zu diesem Zeitpunkt sahen die Prognosen die SPD bei landesweit 23,5 Prozent. Selbst im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2014 war ihr jeder vierte Wähler abhanden gekommen, und das Ergebnis von damals wurde seinerzeit als Ausrutscher betrachtet, nach unten wohlgemerkt.

Und das geschah nicht in Bayern oder Sachsen, wo die Sozialdemokratie inzwischen vielerorts Exotenstatus hat. Der Absturz traf sie in ihrer traditionellen Hochburg Nordrhein-Westfalen. Noch als Kohle und Stahl bereits im Niedergang waren, fragten sich die Genossen in den Industriestädten an Rhein und Ruhr bei Kommunalwahlen nicht, ob sie die absolute Mehrheit erreichen würden, sondern wie groß diese ausfallen werde. Ganz zu schweigen von jenen Zeiten, als Kaiser Wilhelm II. es seinen Generälen verbot, an der Ruhr Kasernen zu errichten - damit der Geist der dort omnipräsenten Sozialdemokratie nicht das patriotische Gemüt der Rekruten zersetze. Und nun das.

Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen
:CDU stärkste Kraft, Grüne mit Gewinnen, SPD verliert

Trotz des Wahlsieges sieht es so aus, als ob die CDU ihr Ergebnis von 2014 nicht ganz toppen kann. Schlimmer ist die Lage für die SPD. Deren Bundeschefin Saskia Esken spricht von einem "enttäuschenden Ergebnis"

Es machte für die SPD nicht besser, dass dieser Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland schon wegen Corona eine besondere Bedeutung zukam; es war die erste große Wahl seit dem Ausbruch der Pandemie. Bemerkenswerterweise schnitt die rechte AfD als schärfste Kritikerin der Coronapolitik mit knapp über fünf Prozent (Stand Sonntagabend) eher schlecht ab. Dagegen scheint sich die Partei der Kanzlerin nicht sorgen zu müssen. Schon gegen 19 Uhr sah die erste Hochrechnung die CDU des Ministerpräsidenten und Kanzlerschafts-Aspiranten Armin Laschet weit vorn. Zweiter Sieger waren die Grünen, die bei 19 Prozent lagen und damit enorm zugelegt hatten. Gegen Mittag hatte Laschet noch vorsichtig geklungen: Erfolge gehörten den lokalen Kandidaten, "und wenn die gewinnen, dann haben die gewonnen - und nicht die Landesregierung."

Das hörte sich am Abend schon anders an, als Laschet in Düsseldorf vor die Presse trat. Der helle Sommeranzug, den er mittags bei der Stimmabgabe getragen hatte, war ersetzt durch staatstragendes Dunkelblau, und staatstragend klang er auch selbst: "Der Weg von Maß und Mitte war richtig", verkündete er selbstbewusst, um es den Verlierern dann noch mal richtig hinzureiben: Der CDU-Sieg sei ein "deutliches Signal in einem Land, das 50 Jahre von der SPD regiert worden ist". Sprach's und holte sich nach dem Dank an die Helferschar erst einmal eine rheinische Currywurst.

Spannender als im NRW-Durchschnitt wurde es in den einzelnen Städten. Dortmund, einst von Herbert Wehner als "Herzkammer" der SPD gelobt und seit Kriegsende von ihr regiert, blieb ihr anders als von vielen erwartet treu, jedenfalls erst einmal. Der Sozialdemokrat Thomas Westphal lag am späteren Abend mit 36,1 Prozent doch recht deutlich, nämlich fast zehn Prozentpunkte, vor seinem CDU-Herausforderer Andreas Hollstein, dem viele mehr zugetraut hatten; jetzt wird die Stichwahl entscheiden.

K"ommste vonne Schicht, watt Schönret gibt et nich, als wie Currywurst", sang Herbert Grönemeyer 1982. Damals war die SPD noch unangefochten in NRW. Am Sonntag hat Armin Laschet (dritter von rechts) gewonnen, der sich nach getaner Arbeit an einem Imbisswagen stärkt. (Foto: Jana Stegemann)

In Deutschlands viertgrößter Stadt Köln sah es lange so aus, als könne die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker schon im ersten Wahlgang im Amt bestätigt werden, doch verpasste die 63-Jährige die absolute Mehrheit. Zwar kann die Juristin im Rat der Millionenstadt weiter auf eine Mehrheit jener beiden Parteien zählen, die ihre Kandidatur unterstützt haben; doch die Grünen steigen den Hochrechnungen zufolge eindeutig zur stärksten Kraft im Stadtparlament auf. Mithin würde Reker künftig von einer grün-schwarzen Ratsmehrheit getragen, statt des bislang schwarz-grünen Bündnisses. Klarer Verlierer ist auch hier die SPD.

Reker gab sich als Gegenentwurf zu den vielen Amts- und Abteilungsleitern mit Parteibuch in der Stadtverwaltung, dem legendären bis berüchtigten "Kölsche Klüngel". Die Juristin nimmt in Anspruch, dass Köln deutlich mehr Geld in Schulen und Kitaplätze investiert und eine "Trendwende" beim Wohnungsbau eingeleitet habe. Ihr Wahlkampf war von hohen Sicherheitsvorkehrungen geprägt. Denn weit über die Stadtgrenzen hinaus ist das Attentat auf die Politikerin im Kommunalwahlkampf 2015 unvergessen geblieben. Damals hatte ein Rechtsextremist sie mit einem Messer in den Hals gestochen und lebensgefährlich verletzt. Auch nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 erhielt Reker, die zeitweise für die Unterbringung von Geflüchteten in Köln verantwortlich zeichnete, weitere Morddrohungen.

Ihr SPD-Gegenkandidat Andreas Kossiski, ein früherer Polizist und Gewerkschafter, hatte in seinem Wahlkampf das Thema Sicherheit in den Vordergrund gerückt und versprochen, deutlich mehr Wohnraum in Köln zu schaffen, das wie viele Großstädte unter Wohnungsnot leidet. Er wird wohl in der Stichwahl eine zweite Chance bekommen. Reker hatte den Wahltag jedenfalls mit demonstrativer Gelassenheit begonnen und eine Matinée angesehen: 50 Jahre Bläck Fööss. Das parteienübergreifende Motto der legendären Kölsch-Band: "Drink doch ene met / Stell dich nit esu ann, / Du stehs he die janze Zick erüm."

Eine Einladung an die Einsamen, einen mitzutrinken, und vielleicht an diesem Abend ein kleiner Trost für die SPD.

© SZ vom 14.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungSPD bei den Kommunalwahlen in NRW
:An Rhein und Ruhr Misere nur

Ja, es waren nur Kommunalwahlen. Ja, die Corona-Pandemie hat die Wahl überschattet. Aber der Trend ist eindeutig. Nicht einmal mehr im einstigen Stammland vermag die SPD, ihren Niedergang zu bremsen.

Kommentar von Joachim Käppner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: