Nordrhein-Westfalen:Hat der Justizminister gelogen?

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Sein Leumund ist gefährdet: Benjamin Limbach (Grüne), Justizminister von Nordrhein-Westfalen. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Die Affäre um die Kür einer Präsidentin am Oberverwaltungsgericht Münster belastet Benjamin Limbach, den grünen NRW-Minister. Zwei Zeugen erheben schwere Vorwürfe.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Es steht viel auf dem Spiel in dieser Affäre, zumindest darüber sind sich alle Kontrahenten einig: das Vertrauen in eine unabhängige Justiz, das Ansehen höchster Richter, obendrein der Leumund eines Justizministers. Benjamin Limbach nämlich, Chef von Nordrhein-Westfalens Justitia, könnte nach der Vernehmung zweier Zeugen vor einem Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags ein Verfahren wegen des Verdachts uneidlicher Falschaussage winken. Ein Vergehen, das mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren geahndet wird.

Gleich zwei Top-Juristen belasten Limbach schwer. Beide Männer, der Bundesrichter Carsten G. sowie Andreas C., ein Abteilungsleiter aus Limbachs Ministerium, warfen dem Grünen-Politiker am Dienstag vor, er habe in einer eidesstattlichen Versicherung mehrmals die Unwahrheit gesagt. Limbach hatte im September 2024 auf zweieinhalb eng beschriebenen Seiten an Eides statt Vorwürfe bestritten, bei der Kür der künftigen Präsidentin des höchsten Verwaltungsgerichts des Bundeslandes, des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG), eine Duz-Bekannte bevorzugt zu haben. Auch habe er, so Limbach damals, nie versucht, zwei anderen Aspiranten für das hohe Amt ihre Bewerbung auszureden.

Limbachs Botschaft sei kein Befehl gewesen, aber eindeutig

Der Darstellung des Ministers widersprachen nun beide unterlegenen Bewerber. Der 55-jährige Bundesrichter G. beschrieb detailreich, was ihm im Herbst 2022 widerfahren sei. Erst habe ihn überraschend ein CDU-Bundespolitiker angerufen und ihm bedeutet, die schwarz-grüne Koalition in NRW habe sich auf eine andere Bewerberin, die Ministerialbeamtin Katharina J., geeinigt: Die CDU wünsche sich eine Parteifreundin an der Spitze des OVG – und die Grünen wollten eine Frau.

Am 11. November 2022, so der Zeuge G. weiter, habe Limbach ihm dann bei einem Gespräch unter vier Augen mitgeteilt, der sehe für seine Duz-Bekannte J. „einen Vorsprung“. Dabei lag Limbachs Ministerium zu diesem Zeitpunkt noch keine Beurteilung der Konkurrentin vor. Und schließlich habe ihn der Minister aufgefordert, seine Bewerbung zurückzuziehen. Das sei zwar „nicht im grammatikalischen Befehlston“ geschehen, aber „durch die Blume“ eindeutig gewesen. Limbachs eidesstattliche Versicherung sei in mehreren Details „objektiv falsch“. In einer späteren Phase habe Limbachs Ministerium zudem „befangen“ agiert und etwa seine Stellungnahmen mit der siegreichen Bewerberin J. abgestimmt – ein Vorgehen, das letztlich dem Prinzip der Bestenauslese (Artikel 33 des Grundgesetzes) widerspreche: „Das Ministerium hat keine neutrale Rolle behalten.“

Zurückhaltender, aber im Ergebnis ähnlich äußerte sich der Zeuge C. Die Politik habe eine Bewerberin „mit der Brechstange“ an die OVG-Spitze hieven wollen, so der Abteilungsleiter. Auch C. führte vertrauliche Gespräche mit Limbach: „Dass er entschlossen war, Frau J. mit dem Amt zu betrauen – das ist unmissverständlich deutlich gemacht worden.“

Die Opposition aus FDP und SPD fordert nun Limbachs sofortigen Rücktritt. Haben Limbach wie auch die seinerzeit siegreiche Konkurrentin J. also gelogen? Das L-Wort vermied der Zeuge G. zwar („Das ist nicht meine Wortwahl.“) Aber: „Die Wahrheit haben sie in manchen Punkten nicht gesagt.“ Auf Limbachs Wahrheit muss der Untersuchungsausschuss noch sieben Wochen warten: Am 25. März wird der Minister aussagen.

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