NRW: Haushalt vor Gericht:Finanzminister ohne Ideen

Norbert Walter-Borjans agiert in der Haushaltskrise des Landes wenig überzeugend: Der Finanzminister setzt auf höhere Schulden - um in der Zukunft weniger ausgeben zu müssen. In der Umgebung von Zahlen scheint sich der SPD-Politiker nicht wohl zu fühlen.

Bernd Dörries

Wenn man Norbert Walter-Borjans fragt, wo er denn einsparen könne im Landeshaushalt, dann kann der Finanzminister eulenhaft durch seine Brille schauen und lange Referate halten, warum es kein Einsparpotential gebe, keinen einzigen Euro. Und wenn man von ihm wissen will, wie er sich denn selbst sehe, seine Rolle als Finanzminister definiere, dann sagt Walter-Borjans, 58, es solle niemand glauben, er werde hier den "harten Max" markieren.

Landtag NRW - Walter-Borjahns

Der Haushalt in NRW ist in Schieflage - Finanzminister Norbert Walter-Borjans stört es nicht.

(Foto: dpa)

Norbert Walter-Borjans hat in den vergangenen Monaten viel davon gesprochen, was nicht geht und wie er nicht sein wird. Am Ende bleibt der Eindruck von einem Finanzminister, der keine richtige Idee hat, was er eigentlich anfangen soll mit diesem Amt, das er bekommen hat, weil andere es nicht wollten.

Walter-Borjans gilt in der Minderheitsregierungin Düsseldorf derzeit als Schwachstelle im Kabinett, seine Aufgabe wäre es eigentlich gewesen, die Verschuldungspolitik der neuen Landesregierung zu erklären, die sich doch von dem unterscheidet, was sich in den vergangenen Jahren als eine Art politischer Konsens herausgebildet hat in Deutschland, zumindest in der Theorie: Dass man die Neuverschuldung der Haushalte senken muss, sich vorbereiten auf die Schuldenbremse, die im Jahr 2020 kommen wird.

In Nordrhein-Westfalen geht man den umgekehrten Weg, man macht mehr Schulden als jemals zuvor. Und Walter-Borjans erzählte bei seinem Amtsantritt, er glaube nicht wirklich, dass das mit der Schuldenbremse funktionieren werde. Er wirkte so, als wollte er sich erst gar nicht anstrengen, zu haushalten wie ein verlässlicher Kaufmann. "Die meisten Leute haben erkannt, dass der Staat kein Krake ist, der immer mehr Geld haben will, sondern dass er unverzichtbar ist", sagt Walter-Borjans. Er will einen starken Staat - und der braucht Geld.

Neue Schulden sollen zu weniger Ausgaben führen

Die neuen Schulden würden langfristig zu weniger Ausgaben führen, glaubt der Minister. Weil man heute in die Bildung investiere, müsse man morgen weniger für Soziales ausgeben. Wann morgen ist und ob es jemals kommt, ist letztlich die Frage. Manchmal passt das schwer zusammen: Einerseits spricht die Minderheitsregierung davon, nur von Tag zu Tag zu denken. Wenn es um die Rendite der "präventiven Politik" geht, denkt man in Zeiträumen bis 2100.

Für Walter-Borjans und die Sozialdemokraten ist es ein neuer Ansatz, es ist eine Antwort auf die Suche nach einem eigenen Profil. Es ist eine Politik, die so ziemlich das Gegenteil der Hartz-Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder ist, welche die Partei im Ruhrgebiet nachhaltig traumatisierten.

Außerhalb Nordrhein-Westfalens hat das neue Konzept noch keine Anhänger gefunden, Peer Steinbrück, einer der Vorgänger von Walter-Borjans, schreibt in seinen Kolumnen, dass der Staat endlich seine Schulden begrenzen müsse. In Düsseldorf liest das keiner mehr, hier glaubt man, einen ganz neuen Weg gefunden zu haben.

Finanzminister ist ein besonderes Amt in Deutschland, die meisten haben versucht, sich als strenge Kassenhüter darzustellen und selbst solchen, die sparten oder es vorgaben, gelang es, auf erstaunliche Beliebtheitswerte zu kommen, was womöglich an einer speziell deutschen Sehnsucht nach Stabilität und einer Portion Masochismus liegen könnte.

Der Verkäufer verkauft sich schlecht

Walter-Borjans war lange Regierungssprecher von Johannes Rau, er hat gelernt, wie man Politik verkauft, wie man Politiker verkauft. Sich selbst berät er schlecht. Walter-Borjans ist ein geselliger Rheinländer und daher nur schwer in seinem Redefluss zu stoppen. Er kann lustige Geschichten erzählen, er kann aber auch einfache Fragen mit endlosen Monologen zerreden.

Als er neulich die eigentlich frohe Botschaft mitteilen konnte, dass im vergangenen Jahr deutlich weniger ausgegeben und mehr eingenommen wurde, das Land also 1,3 Milliarden Euro weniger Schulden machen müsse, da wurde Walter-Borjans gefragt, woher das Geld denn plötzlich komme? Er konnte es nicht erklären, wollte die Antwort "nachreichen".

Die Menschen mögen keine Finanzminister, die nicht wissen, wo das Geld ist. "Ich bin nicht Chef einer Statistik-Abteilung", sagte Walter-Borjans noch, was die Sache nicht besser machte. Es blieb der Eindruck von einem Finanzminister, der sich in der Umgebung von Zahlen nicht wohlfühlt. Vielleicht ist Walter-Borjans zu sehr Kölner für dieses Amt, weil es dort ja Lebensgefühl ist, dass am Ende alles gerade so gut geht, man die Dinge nicht so genau nehmen muss.

Dabei war "Nowabo", wie er in der Landespolitik heißt, im Sommer einer der wenigen sicheren Kandidaten für ein Ministeramt. Nachdem die Wunschkandidaten abgesagt hatten, wurde er Finanzminister, ursprünglich war er für das Wirtschaftsressort vorgesehen. In Köln hat er als Wirtschaftsdezernent gut gearbeitet, die Ansiedlung von großen Firmen erreicht. Er hat aber auch gezeigt, dass er nicht so sehr die Ausgaben-, sondern die Einnahmenseite im Blick hat. Als erste Stadt führte Köln die Bettensteuer ein, eine Gebühr für Hotelübernachtungen.

Richter mögen keine Hinweise

In der Minderheitsregierung läuft es noch nicht für ihn. Auch die Koalitionäre kreiden ihm an, ohne Not einen Konflikt mit dem Verfassungsgerichtshof ausgelöst zu haben. Das Gericht wollte vom Finanzminister im Januar eine Selbstverpflichtung, bis zum Urteil in der Hauptsache keine neuen Schulden aufzunehmen.

Man hätte eine solche Selbstverpflichtung leicht abgeben können, vor allem, weil ja auch Walter-Borjans wusste, dass erheblich mehr Geld in die Kassen floss als vorgesehen. Was er tat, war, dem Gericht "Hinweise" zu geben, wie denn die Haushaltsführung funktioniere. Richter mögen keine Hinweise und erteilten die einstweilige Anordnung.

Walter-Borjans nennt die Anordnung in kölscher Gelassenheit "von der Optik her alles andere als erfreulich". Das kann man von seinem bisherigen Auftreten auch sagen.

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