Süddeutsche Zeitung

NPD-Verbotsverfahren:Verfassungsfeindlich bis in die Knochen

Das Bundesverfassungsgericht muss die NPD verbieten. Warum? Das ist glasklar herausgearbeitet in dem Verbotsantrag, den der Bundesrat an diesem Dienstag beim Verfassungsgericht einreichen wird. Doch der Antrag hat eine Schwachstelle.

Ein Kommentar von Wolfgang Janisch

Das Bundesverfassungsgericht hat einmal einen schönen Satz geschrieben. Der Satz steht im sogenannten Wunsiedelbeschluss von 2009, und man könnte ihn per copy & paste einem Urteil zum Verbot der NPD voranstellen: "Das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes gedeutet werden und ist von seinem Aufbau bis in viele Details hin darauf ausgerichtet, aus den geschichtlichen Erfahrungen zu lernen und eine Wiederholung solchen Unrechts ein für alle Mal auszuschließen."

Die NPD wiederum, so hat der Verbotsantrag des Bundesrats glasklar herausgearbeitet, ist verfassungsfeindlich bis in die Knochen, weil sie einem völkisch definierten Menschenbild anhängt, das Migranten die grundlegenden Menschenrechte abspricht. Dass das nach NSDAP klingt, ist kein Zufall, sondern gehört zum Wesen der NPD. Wenn aber das Grundgesetz die in Artikel gegossene Lehre aus dem Hitlerregime ist - warum sollte man mit einem Verbot auch nur eine Sekunde zögern?

Nun muss man den Gegnern eines Verbots zugeben: Zur Lehre aus den Jahren 1933 bis 1945 gehört auch die Verteidigung der Freiheit - wozu die freie Gründung von Parteien zu zählen ist. Darauf basiert unser demokratisches System.

Mitunter muss man daher auch die Feinde der Freiheit verteidigen, um der Freiheit willen. Doch beim Umgang mit der NPD geht es nicht etwa darum, dass ein Land ein gewisses Maß an Ausländerfeindlichkeit aushalten muss. Oder dass Extrempositionen auch Indikatoren gesellschaftlicher Verwerfungen sind. Die NPD ist keine jener rechtspopulistischen Parteien, die anderswo in Europa große Wahlerfolge erzielen.

Die Autoren des Verbotsantrags haben das herausgearbeitet. Sie verfallen nicht dem Irrtum, das völkische Geschwurbel der Funktionäre, ihre Diffamierung von Menschen nichtdeutscher Herkunft als "Fremdkörper", ihre antisemitischen Ausfälle lediglich als Dumpfheit abzutun. Sie nehmen die NPD beim Wort: Erkennbar wird eine Partei, deren Wesen einzig die Ablehnung der Grundpfeiler unserer Verfassung ist - Freiheit, Gleichheit, Demokratie. Und, wo sie kann, deren Bekämpfung.

Das ist der Grund, warum der Antrag nicht daran scheitern darf, dass die Ein-Prozent-Partei politisch am Boden liegt. Das Grundgesetz hat das Verbotsverfahren ja nicht als letztes Bollwerk vor dem Umsturz etabliert - vor dem bei der NPD auch niemand Angst haben müsste. Der Teufel kommt nie zwei Mal durch dieselbe Tür, und die Demokratie hat sich in gut sechs Jahrzehnten gefestigt.

Nein, das Bundesverfassungsgericht muss die NPD verbieten, weil zur Lehre aus dem Hitlerregime eben auch die entschiedene Verteidigung der Menschenwürde gehört. Eine Partei ist ja kein Taubenzüchterverein, sondern ein vom Grundgesetz mit Privilegien (und Geld) ausgestatteter politischer Zusammenschluss. Diesen Status hat niemand verdient, der die Rückkehr zum Untermenschentum propagiert.

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SZ vom 03.12.2013/dmo
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