NPD-Verbotsverfahren:Sorge um Leib und Leben der V-Leute

NPD-Verbotsverfahren

Ein zerstörtes Wahlplakat der NPD in Hannover.

(Foto: dpa)
  • Im NPD-Verbortsverfahren wurden haben die Bundesländer dem Bundesverfassungsgericht Belege über die Abschaltung von V-Leuten in der Führungsebene der rechtsextremen Partei präsentiert.
  • Aus Sorge, die Identität der Verbindungsleute könnte bekannt werden, wurden die Akten teilweise geschwärzt.
  • Sicherheitsbehörden sind skeptisch, ob das ausreicht. Deswegen könnte es ein In-camera-Verfahren geben, bei dem nur die Richter Kenntnis von den Klarnamen bekommen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe, und Tanjev Schultz

Das NPD-Verbotsverfahren geht in eine neue Phase. Beim Bundesverfassungsgericht sind fristgerecht Belege der Behörden eingegangen, dass diese seit Beginn des Verfahrens keine V-Leute mehr in der Parteispitze führen. In "beispielloser Weise" würden interne Vermerke, Erlasse, Gesprächsprotokolle und andere Akteninhalte der Sicherheitsbehörden offengelegt, heißt es in einem Schreiben an das Gericht.

Der Schriftsatz kommt von den Verfahrensbevollmächtigten des Bundesrats, den Berliner Jura-Professoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff. Aus dem Material geht hervor, dass der Verfassungsschutz zum Stichtag 1. Dezember 2011 noch elf V-Leute im Bundes- und in den Landesvorständen der NPD hatte: auf Bundesebene drei, in Bayern und Nordrhein-Westfalen jeweils zwei und in Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen jeweils einen geheimen Informanten. Die Klarnamen wurden nicht aufgedeckt.

Das Gericht hatte Belege dafür verlangt, dass die Spitzel abgeschaltet und auch später nicht mehr abgeschöpft worden sind. Unter den Dokumenten, die das Gericht erhalten hat, befinden sich "Abschalterklärungen". V-Leute unterschreiben diese, wenn die Zusammenarbeit mit ihnen beendet wird. Sie bekommen dann eine letzte Prämie, deren Höhe von der Güte und Dauer der Mitarbeit abhängt.

So genannte Nachsorge-Treffen sind nicht mehr möglich

Aus den Unterlagen geht hervor, dass die Ämter später keine Informationen im Rahmen von "Nachsorge-Treffen" mehr erlangen konnten. Im Fall des NPD-Verbotsverfahrens wären solche Treffen problematisch, weil dann die geforderte Staatsferne der Partei in Zweifel gezogen werden könnte. Der erste Anlauf für ein NPD-Verbot war im Jahr 2003 gescheitert, weil die Partei bis zur Führungsebene durchsetzt war von V-Leuten. Als die Bundesländer den neuen Anlauf beschlossen hatten, streute die NPD schon vor drei Jahren Zweifel, ob die abgeschalteten Spitzel tatsächlich nicht mehr in den Vorständen spionieren würden.

Die Akten sind teilweise geschwärzt, um die Ex-Informanten zu schützen

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wollte es von den Ländern so genau wie möglich wissen. Im März verlangte er entsprechende Belege. Das jetzt gelieferte Material zeigt, dass die letzten Quellen in einem Vorstand Ende März 2012 abgeschaltet worden sind. Und nach dem Dezember 2012 sollen die Behörden keinerlei Kontakte zu den Ex-Spitzeln mehr gehabt haben.

Die Akten sind an einigen Stellen geschwärzt, um die Identität der V-Personen zu schützen. Dies geschehe, um Leib und Leben der ehemaligen Informanten nicht zu gefährden, heißt es in der Erklärung des Bundesrats. Man sei mit der Vorlage des Materials "an die Grenze des rechtlich Zulässigen" gegangen, schreiben die Bevollmächtigten. Auch die NPD erhält Einsicht in das Material.

In den Sicherheitsbehörden geht die Sorge um, dass ehemalige V-Leute trotz der Schwärzungen enttarnt werden könnten. Möglicherweise ließen sich Rückschlüsse auf die Personen ziehen. Sollten die Richter die Klarnamen der V-Leute erfahren wollen, könnte es ein "In-camera-Verfahren" geben. Dann haben nur die Richter Zugang zu den Namen.

Verdacht, Ermittler könnten NPD-Prozesstrategie ausgeforscht haben

Mit dem Schriftsatz, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, treten die Professoren zudem dem Verdacht entgegen, die Verfassungsschützer könnten die Prozessstrategie der NPD ausgeforscht haben. Zwar seien im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen mehrmals Telefone überwacht worden. In Brandenburg sei dabei "auch eine Randerkenntnis zum bevorstehenden NPD-Verbotsverfahren" in ein Abhörprotokoll gelangt. Dies sei aber nicht verwertet und "zeitnah vernichtet" worden. Die Antragsteller zeichnen außerdem im Detail nach, wer für das Parteiprogramm von 2010 verantwortlich zeichnet - V-Leute seien nicht darunter gewesen. Beim Parteitag sei das Programm mit überwältigender Mehrheit angenommen worden, "angesichts derer die Anwesenheit einzelner Quellen unter den Parteitagsdelegierten für die Meinungsbildung" irrelevant gewesen sei.

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