NPD-Verbotsverfahren:Diesmal muss es gelingen

Vieles spricht gegen ein NPD-Verbotsverfahren - notwendig ist es trotzdem. Das ist der Staat den Opfern schuldig. Guter Wille allein reicht nicht. Die Antragsteller müssen erheblich stichhaltigere Argumente vorweisen als beim gescheiterten ersten Versuch. Eine solche Blamage darf sich nicht wiederholen.

Heribert Prantl

Man braucht kein Verbot der NPD; im Prinzip. Im Prinzip darf es aber in einem demokratischen Rechtsstaat auch keinen mörderischen Hass gegen Türken geben; und es gibt ihn doch. Deshalb muss eine Partei, die diesen Hass fördert, verboten werden.

NPD-Verbot

"NPD-Verbot jetzt" fordern Demonstranten bei einer Anti-Nazi-Demo in Brandenburg.

(Foto: dapd)

Es ist fast alles richtig, was gegen ein NPD-Verbot angeführt wird. Ein Verbot ist kein Ausschaltknopf für den Neonazismus. In Karlsruhe liegt nicht die Fernbedienung, mit der man ein braunes Programm wegschalten kann. Ein Verbotsantrag ist auch nicht der Beginn eines großen Exorzismus nach den Regeln des Parteiverbots-Artikels 21 Grundgesetz. So ein Verbot ist keine magische Handlung, die eine Gesellschaft von brauner Besessenheit befreit. Ein Verbot ersetzt nicht die notwendigen Anstrengungen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Und es ist das falsche Mittel, um Aktivität zu demonstrieren.

Trotzdem ist das Verbotsverfahren notwendig - um die Menschen zu schützen, die nicht so stark sind wie die Demokratie. Eine Partei, die sich für Verbrecher stark macht und deren Taten Vorschub leistet, ist keine Partei, sondern eine staatsfinanzierte kriminelle Vereinigung. Einer Partei, die sich gemein macht mit Gewalttätern, muss daher das Parteienprivileg entzogen werden. Das ist der Rechtsstaat den Gewaltopfern schuldig. Wenn Menschen bedroht, erschlagen und erschossen werden, dann darf der Staat nicht den Mantel des Parteiprivilegs über ein Milieu breiten, das solche Gewalt befruchtet.

Ein Verbotsantrag ist aber etwas anderes als ein auf zweihundert Seiten aufgeblasener Leitartikel. Wenn den Antragstellern zur Begründung nicht sehr viel mehr einfiele als beim letzten Mal, beim gescheiterten Parteiverbotsverfahren von 2000 bis 2003, dann kann man es, nein, dann muss man es bleibenlassen. Darauf bezieht sich die Warnung von Hans-Jürgen Papier, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, vor einem überhasteten neuen Verbotsverfahren.

Es ist aber seit dem alten etwas passiert, was kaum einer für möglich gehalten hätte: Es wurde eine neonazistische Mordserie aufgedeckt. Darauf bezieht sich die Mahnung von Winfried Hassemer, dem früheren Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts, das neue Verbotsverfahren sehr gründlich anzupacken. Das heißt: Die Verbindungen der NPD zur Gewalt müssen penibel dargelegt, die Beziehungen zwischen der NPD und Gewalttätern akkurat belegt werden.

Dafür gibt es kräftige Exempel und Indizien. Mehr als vierhundert Kriminalisten arbeiten an der Aufklärung der Morde und Gewalttaten des Mördertrios von Zwickau. Sie sind auch dafür da, die Verbindungen zwischen den Gewalttätern und der NPD aufzuklären. Für den Verbotsantrag reicht es nicht, wenn er gut gemeint ist. Er muss sehr gut, er muss penibelst begründet sein.

Die Blamage darf sich nicht wiederholen

Daran hat es beim letzten Mal, in den Jahren 2002/2003, gefehlt. Damals stützte sich der Verbotsantrag unter anderem auf einen Kronzeugen namens Wolfgang Frenz. Dieser Mann war aber lange Zeit V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen. Als das aufkam, beriefen sich die Verfassungsschützer darauf, dass der Mann seine Hetzereien nach seiner V-Mann-Zeit gemacht habe. Das war zwar richtig, erschütterte aber gleichwohl die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen und des gesamten Verfahrens - zumal als sich herausstellte, dass Frenz nur einer von vielen ehemaligen oder aktiven V-Leuten war, auf deren Texte und Aussagen sich der Verbotsantrag stützte.

Das Scheitern des Verbotsverfahrens beruhte auf einem schweren Organisationsverschulden des damals von Otto Schily geführten Bundesministeriums des Inneren. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, die drei Verfassungsorgane, die Verbotsanträge gegen die NPD gestellt und sich dabei auf die Arbeit des Ministeriums verlassen hatten, waren düpiert. Die rechtsextreme Szene triumphierte.

Das Ministerium für innere Sicherheit hatte es zu verantworten, dass dann der Verbotsantrag nicht mehr in Karlsruhe, sondern als V-Mann-Klamauk auf Karnevalssitzungen verhandelt wurde. So etwas darf sich nicht wiederholen. Der Verfassungsschutz, dessen Arbeit damals ein Grund für die Einstellung des Verfahrens war, hat nun eine Garantenstellung dafür, dass das Verbot tragfähig begründet werden kann.

Hans Kelsen, der große Jurist, den jüngst der Papst im Bundestag zitierte, hat in der Zeit der Weimarer Republik die These vertreten, dass eine Demokratie "auch eine auf Vernichtung der Demokratie gerichtete Bewegung duldet". Man müsse seiner Fahne treu bleiben, auch wenn das Schiff sinkt, meinte er - und könne in die Tiefe nur die Hoffnung mitnehmen, dass "das Ideal der Freiheit unzerstörbar ist und leidenschaftlicher wieder aufleben wird".

Nach der Hitler-Barbarei kehrte sich das Grundgesetz ab von so einer harakirischen Demokratie, es formulierte daher nicht nur das Parteiverbot, sondern stellte den Schutz der Menschenwürde an die Spitze der Verfassung und erklärte deren Garantie für unabänderlich. Eine solche Garantie fordert Taten, eine solche Garantie verlangt ein Verbot - auch deswegen, weil zwar gemordete Ideale, nicht aber gemordete Menschen wieder aufleben können.

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