Vor wenigen Tagen hat die NPD wieder einmal "gravierende Zweifel" an der Rechtsstaatlichkeit des gegen sie gerichteten Verbotsverfahrens angemeldet. Und zwar, weil der Bundesrat offenbar keinen Nachfolger für Verfassungsrichter Herbert Landau wählen wolle, der - im April 68 Jahre alt geworden - seit zwei Monaten im Ruhestand sein müsste. Die Mutmaßung der rechtsextremen Partei: Der Bundesrat, der zugleich Antragsteller im Verbotsverfahren ist, wolle damit seine Chancen im Prozess wahren. Denn für ein Verbot sind sechs Richterstimmen notwendig - die mit der Vollbesetzung von acht Senatsmitgliedern rechnerisch leichter zu erreichen sind.
Schon vor der NPD-Kritik hatte indes Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) für den vergangenen Donnerstag ins Biebricher Schloss bei Wiesbaden eingeladen. Landau saß in der ersten Reihe, sein Weggefährte Bouffier hielt zwischen barocken Säulen eine gefühlige Rede. Landau seinerseits erinnerte bewegt an den einstigen Justizminister Karl-Heinz Koch, der damals am Beginn seiner Karriere gestanden hatte; dessen Sohn Roland Koch, Bouffiers Amtsvorgänger, saß drei Plätze weiter. Auch sonst sagte Lan-dau Dinge, die man zum Abschied sagt. Denn bereits am 8. Juli soll der Bundesrat über seine Nachfolge entscheiden.
Wahrscheinliche Kandidatin für den Posten ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Christine Langenfeld, Professorin für öffentliches Recht an der Universität Göttingen. Das wirkt auf den ersten Blick ein wenig überraschend. Das Vorschlagsrecht für die Stelle liegt nach den Wahlusancen bei der CDU. Langenfeld ist zwar die Tochter des einstigen CDU-Ministerpräsidenten Carl-Ludwig Wagner, doch ihr Profil klingt fast schon grün. Seit 2012 ist sie Vorsitzende im Sachverständigenrat für Integration und Migration, ein Themengebiet, das bereits Gegenstand ihrer Habilitationsschrift war: Sie schrieb über "Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten" am Beispiel der Schulen. Auch ihr Promotionsthema - "Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Europäischen Gemeinschaftsrecht" - gehörte zumindest damals, 1989, nicht wirklich zum CDU-Repertoire.
Doch der Kandidatenkür ging angeblich ein Kompromiss voraus. Denn im Vorfeld hatten die Grünen die herkömmliche Aufteilung der Richterstellen zwischen Union und SPD in Frage gestellt und ihrerseits Anspruch auf die Stelle erhoben - mit dem schlagenden Argument, dass sie mit ihrer Beteiligung an zehn Landesregierungen die Wahl kurzerhand blockieren könnten. Dem Vernehmen nach war die Präsentation einer für die Grünen akzeptablen Kompromisskandidatin nicht das einzige Zugeständnis: Die CDU soll den Grünen zudem das Vorschlagsrecht für die Nachfolge von Wilhelm Schluckebier zugesagt haben, der Ende 2017 die Altersgrenze erreicht.
Der Zweite Senat unter dem Vorsitz von Andreas Voßkuhle wird nach Landaus Ausscheiden das NPD-Verbotsverfahren nun mit sieben statt acht Richtern zu Ende führen müssen; mit einem Urteil wird gegen Ende des Jahres gerechnet. Auswirkungen auf den Ausgang des Verbotsverfahren könnte dies nur dann haben, wenn Landau im Senat bisher das Zünglein an der Waage wäre - was aber niemand außerhalb des Zweiten Senats weiß, weil die Beratungen geheim sind. In der Verhandlung Anfang März hatte Landau, ein Konservativer, zwar ein paarmal kritisch in Richtung Bundesrat nachgefragt. Doch wie er zum Verbot steht, ließ sich daraus nicht ablesen.