Süddeutsche Zeitung

NPD-Verbot:Warum zwei Verfassungsrichter nicht über die NPD urteilen sollten

Die NPD hält zwei der acht Richter für befangen, weil sie sich als Politiker zu einem möglichen Verbot der Partei äußerten. Das Gericht hätte jeden Zweifel ausräumen sollen.

Von Heribert Prantl

Jeder hat Anspruch auf einen unbefangenen Richter, auch die NPD. Diese Partei ist rassistisch, sie ist fremdenfeindlich, verfassungsfeindlich, antidemokratisch. Einen Anspruch auf unbefangene Richter hat sie trotzdem.

Diese NPD steht im Verdacht, wie ein Durchlauferhitzer für Gewalt zu funktionieren. Aber auch eine solche Partei hat Anspruch auf penible Beachtung des Rechts, zumal dann, wenn sie verboten werden soll. Sie gehört verboten; nicht unbedingt zum Schutz des Staates; der nämlich ist stark genug, um braune Ideologie auszuhalten; sie gehört verboten zum Schutz der Opfer, die von Rechtsextremisten gehetzt werden. Diesen Schutz ist der Staat den Opfern schuldig. Und diese Schutzmaßnahme muss so akkurat wie möglich ausgeführt werden.

Die Befangenheitsvorschriften müssen penibel beachtet werden

Zur Akkuratesse gehört die sensible Anwendung der Befangenheitsvorschriften. Diese Sensibilität hat das Gericht leider nicht aufgebracht. Es wäre gut gewesen, wenn der Zweite Senat zwei seiner Richter durch Richter des Ersten Senats ersetzt hätte - per Los, wie das im Gesetz vorgesehen ist. Die subjektive Unabhängigkeit der Verfassungsrichter soll nämlich über jeden Zweifel erhaben sein - es sei denn, es handelt sich um völlig unvernünftige, an den Haaren herbeigezogene Zweifel.

Nun waren aber zwei der acht Richter des Zweiten Senats, der über das Verbot zu entscheiden hat, in ihrem früheren Leben Politiker; und sie haben damals (der eine sehr, der andere weniger massiv) Aussagen zu einem solchen Verbot gemacht. Völlig unvernünftig und absurd ist es nicht, wenn die NPD jeden dieser beiden Richter für einen "judex inhabilis" hält, für einen, der kraft Gesetzes von der Entscheidung ausgeschlossen ist.

Es reicht ja ganz generell die "Besorgnis" der Befangenheit; der Richter muss gar nicht wirklich voreingenommen sein; es reicht, dass man vermuten könnte, dass er es ist. In den einschlägigen Vorschriften des Verfassungsgerichtsgesetzes sind die Maßstäbe für die Unbefangenheit speziell des Verfassungsrichters besonders anspruchsvoll formuliert, weil die Prozesse dort ja von ganz besonderer Bedeutung sind.

Höchstrichterliche Hybris

Diesem Anspruch genügt die Praxis des höchsten Gerichts nicht: Es hat sich dort die Anschauung eingebürgert, dass ein Verfassungsrichter per se nie befangen ist - es sei denn, er hält sich selbst für befangen. Auch das aber ist höchst selten der Fall. Daraus spricht eine gewisse höchstrichterliche Hybris. Es wäre gut gewesen, die beiden Ex-Politiker und jetzigen Verfassungsrichter hätten sich selbst abgelehnt.

Nur argumentiert das Gericht so, dass sich die heutigen Richter damals ja nur politisch geäußert hätten, jetzt aber juristisch entscheiden sollen; das seien zwei verschiedene Ebenen. Das mag schon sein; aber die Karlsruher juristischen Entscheidungen sind nun einmal auch politische Entscheidungen. Wer darüber entscheiden darf, was Politik machen darf und was nicht, macht Politik. Die beiden genannten Richter werden gewiss unvoreingenommen entscheiden. Das höchste Gericht hätte aber auch nur den leisen Verdacht, es könnte anders sein, vermeiden sollen.

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SZ vom 02.03.2016/pamu
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