NPD-Spitzenkandiat Udo Voigt:Comeback des rechten Hardliners

NPD-Spitzenkandidat für die Europawahl: Udo Voigt

Hatte sich eigentlich schon aus der Parteiarbeit zurückgezogen, jetzt gelingt ihm das NPD-Comeback: Udo Voigt (hier bei einer Demonstration 2009)

(Foto: Getty Images)

Ohrfeige für den NPD-Chef: Nicht Udo Pastörs, sondern sein Rivale Udo Voigt führt die Rechtsextremen in die Europawahl. Die überraschende Entscheidung fällt auf einem Parteitag in Thüringen, der bis in die Nacht andauert - und Querelen erkennen lässt.

Von Antonie Rietzschel, Kirchheim

Eigentlich sollte es schnell gehen. Spätestens um 17 Uhr wollte der frisch gewählte Spitzenkandidat der NPD vor die Presse treten. Das war der Plan. Dann schiebt sich das Statement immer weiter nach hinten. Erst heißt es 18 Uhr, dann 18.30 Uhr, dann "nicht vor 19 Uhr". Nach Mitternacht verkündet die Partei schließlich per Twitter: Udo Voigt wird die Partei im Europawahlkampf als Spitzenkandidat anführen, das haben die Delegierten auf dem Bundesparteitag im thüringischen Kirchheim beschlossen.

Udo Voigt? Damit hatten die wenigsten gerechnet. Der 61-Jährige hatte sich nach seiner Abwahl als Bundesvorsitzender 2011 aus der Parteiarbeit zurückgezogen. Mit der Wahl auf den ersten Listenplatz hat der rechtsextreme Hardliner nun sein politisches Comeback geschafft. Sollte die Drei-Prozent-Hürde kippen, hätte er Chancen, ins Europäische Parlament gewählt zu werden.

Voigts Nominierung ist eine Niederlage für Udo Pastörs, der als Favorit für die Spitzenkandidatur galt. Seine Chancen standen zunächst gut: 43 Delegierte hatten ihn vorgeschlagen, weit mehr als Voigt. Doch allein die Verzögerung des weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Parteitags lässt für ihn nichts Gutes erahnen.

Einige Delegierte waren wohl nicht damit einverstanden, dass Pastörs versuchte, sich noch ein drittes wichtiges Amt zu sichern und die Partei praktisch zu seiner eigenen zu machen. Erst vor einer Woche hatte ihn der Parteivorstand nach dem überraschenden Rückzug von Holger Apfel offiziell als Parteichef ernannt. Außerdem leitet er die Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern.

Vielleicht war auch die Rede Schuld, mit der Pastörs (Lesen Sie hier ein ausführliches Porträt), den Bundesparteitag offiziell eröffnete. Pastörs gilt normalerweise als einer, der mitreißen kann und klare Worte findet. Doch diesmal ist ihm das nicht gelungen. Statt der angekündigten Dreiviertelstunde spricht er lediglich 20 Minuten, der Zwischenapplaus war nur mäßig. Nach den Querelen um den Abgang des alten Bundesvorsitzenden Holger Apfel hatten die Delegierten womöglich darauf gehofft, dass Pastörs sie auf das Wahljahr mit leidenschaftlichen Worten einschwört. Nach dem Motto: Es war eine harte Zeit und es wird nicht besser - doch wir müssen alle anpacken.

Ambiente wie bei der Wahl einer Weinkönigin

Stattdessen erklärt ihnen der 61-Jährige nun, warum die Partei ins Europarlament gehört: "Das gibt uns die Möglichkeit, uns mit anderen nationalistischen Kräften zu vereinen", sagte er. Pastörs spricht laut, aber kontrolliert - manchmal wirkt es, als müsse er sich zurückhalten, um nicht zu explodieren. In solchen Momenten nimmt er kurz die Brille ab. Nur hin und wieder blitzt die Pastörsche Schimpf-Rhetorik auf, zum Beispiel, wenn er die EU als "modernen kapitalistischen Gulag" geißelt.

Seine Parteikameraden sitzen eng zusammengedrängt an den Tischen der angemieteten Event-Scheune. Deren Inneres wirkt wie die Kulisse für die Wahl einer Weinkönigin: Von den Holzbalken hängen Ranken aus Plastik herunter. Über den Köpfen drehen sich große, mit künstlichen Tannenzweigen geschmückte Wagenräder. Dort, wo das Parteipräsidium sitzt, glitzert eine Discokugel.

Ursprünglich wollte die NPD in Saarbrücken tagen, wo Udo Pastörs einst in einer Hassrede Deutschland als "Judenrepublik" titulierte. Doch eine Panne bei der Anmeldung der Veranstaltung (Spiegel Online hat die Posse damals aufgeschrieben) führte dazu, dass die Partei auf Kirchheim ausweichen musste, ein Dorf bei Erfurt mit 700 Einwohnern, wo sich die Rechtsextremen seit 2009 regelmäßig treffen. Die Landes-NPD hält hier ihre Parteitage ab, in der Vergangenheit gab es auch öfter Rechtsrock-Konzerte.

NPD tagt auf Privatgelände, daher kein Verbot

Der Besitzer der Scheune vermietet bereitwillig an die Rechtsextremen. Anwohner, aber auch Mitglieder verschiedener Anti-Rechts-Bündnisse aus Erfurt und Jena haben schon bei mehreren Gelegenheiten dagegen demonstriert. So auch an diesem Samstag. Bereits am Morgen haben sich 200 Menschen in Rufweite der Scheune versammelt - darunter auch Mitglieder des thüringischen Landtages. Jedes NPD-Mitglied, das sich auf der Straße zeigt, begrüßen die Demonstranten mit lauten Pfiffen und "Hau ab"-Rufen. Es gibt Kuchen, Bratwürstchen und warmen Kaffee gegen die Kälte.

Der Besitzer der Scheune hatte einen Tag vor dem Parteitag ein Transparent aufgehängt. Darauf ist ein Kreuz zu sehen, das Symbol der Europäischen Aktion, einer rechtsextremen Vereinigung. Eine Provokation. "Das schlimmste für mich ist, dass ich nicht wirklich was dagegen tun kann", sagt Petra Enders, die unter den Demonstranten steht. Sie ist als Landrätin für den Ort verantwortlich. Doch da der Parteitag auf privatem Gelände stattfindet, kann sie ihn nicht einfach verbieten.

Ein wenig ärgern kann sie die Rechtsextremen schon: In der Scheune darf nur eine bestimmte Zahl von Menschen untergebracht werden. Enders achtet penibel darauf, dass diese Bestimmungen eingehalten werden. Vor der offiziellen Eröffnung des Parteitages geht die Polizei durch den Saal und zählt durch. Durch diese Aktion wird der Parteitag immerhin verzögert.

Vielen Kirchheimern reicht das nicht. Sie haben einen Wunsch, der für jeden sichtbar in Form von Plakaten am Straßenrand klebt: "Bundesparteitag: Es wird euer letzter sein." Während die Partei auf den Aufbruch hofft, hoffen die Bewohner des Dorfes auf das NPD-Verbotsverfahren.

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