NPD in Mecklenburg-Vorpommern:Sakko statt Bomberjacke

Gut eine Woche vor der Landtagswahl am 17. September wächst in Mecklenburg-Vorpommern die Sorge, dass die rechtsextreme NPD den Sprung in den Landtag schafft. Wie die NPD auf Wählerfang geht.

Bislang drehte sich die Berichterstattung über die Schweriner Landtagswahl vor allem darum, in welcher Reihenfolge die drei großen Parteien abschneiden. Die FDP wurde eher beiläufig erwähnt. Je näher die Wahl rückt, desto mehr könnte sich der Fokus aber einmal mehr auf das rechtsextreme Lager richten. Die jüngsten Wahlumfrage ergab sechs Prozent für die NPD. Sogar zehn Prozent der Befragten erwägen, ihre Stimme den Rechtsextremen geben zu wollen.

NPD in Mecklenburg-Vorpommern: Wahlplakat der NPD in Mecklenburg-Vorpommern: Unbekannte haben dem Spitzenkandidaten einen Hitler-ähnlichen Oberlippenbart verpasst

Wahlplakat der NPD in Mecklenburg-Vorpommern: Unbekannte haben dem Spitzenkandidaten einen Hitler-ähnlichen Oberlippenbart verpasst

(Foto: Foto: dpa)

Die Strategie der NPD, die in Mecklenburg-Vorpommern vorrangig von Aktivisten aus dem Westen geführt wird, scheint Wirkung zu zeigen. Auf martialische Aufmärsche in Springerstiefeln und Bomberjacken verzichtet die Partei im Wahlkampf.

Rechtsrock-CDs für Schüler

Stattdessen tragen die Kandidaten Sakkos und suchen die verbale Auseinandersetzung. Gut organisiert mischen sich die Rechtsextremisten in öffentlichen Diskussionsrunden unter die Zuhörerschaft und verpacken ihre Ideologie in provozierende Fragen. NPD-Trupps bauen sich an Wahlständen anderer Parteien auf und lassen ihre Pauschalkritik nach dem Motto "Die Politiker tun nichts für das Volk" ab. Schüler versuchen sie mit der Verteilung von 15.000 Rechtsrock-CDs zu ködern.

Die NPD nutzt die Lücken, die Staat und Gesellschaft ihnen mit dem Rückzug aus dünn besiedelten Gebieten - wie etwa Vorpommern - lassen.

Wo es weder Arbeit noch Schule noch Sportverein gibt und den Menschen häufig Kraft für eigene Initiativen fehlt, kommt es mitunter gut an, wenn Rechtsextremisten einen Treffpunkt für Jugendliche einrichten.

In Ostvorpommern haben sie die Bürgerinitiative "Schöner und sicherer wohnen" - gemeint ist: ohne Asylbewerberheim - gegründet, in Westmecklenburg engagieren sie sich gegen Pläne zum Braunkohleabbau.

Vor allem auf Wähler in den ländlichen Regionen setzt die NPD. Die großen Freiräume, die die Wahlwerbung der etablierten Parteien in den Dörfern lässt, füllt die NPD mit Masse: "Man ist ja schon froh, wenn man unter den vielen NPD-Plakaten wenigstens mal eins von der CDU sieht", sagte der Linkspolitiker Gregor Gysi sarkastisch nach einem Wahlkampfeinsatz.

NPD-Parlamentarier passiv oder ahnungslos

Die Parolen der Rechtsextremisten sind eingängig: "Es reicht!", steht da in fetten Lettern, und im Propagandastil der 30er Jahre schlägt eine Faust mittenrein.

Auch auf die Kommunalpolitik versuchen die "Wölfe im Schafpelz", wie Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) sie nennt, Einfluss zu nehmen.

Wo das kommunalpolitische Engagement allerdings dauerhaften Fleiß und vor allem Kompetenz erfordert, versagen die Rechtsextremisten meist: Eine Studie der Universität Greifswald hat nachgewiesen, dass die landesweit zehn NPD-Abgeordneten in Kreistagen und Stadtvertretungen meist inaktiv sind oder keine Ahnung haben.

Die demokratischen Parteien tun sich mit einer Gegenstrategie schwer. Der DGB-Nord-Vorsitzende Peter Deutschland wirft ihnen vor, das Thema "jahrelang sträflich vernachlässigt zu haben". Dabei hat der Verfassungsschutz lange schon vor der neuen Strategie der Rechtsextremen gewarnt.

Budget so groß wie das der Volksparteien

Nur mit Mühe konnten sich die drei Landtagsparteien SPD, CDU und Linkspartei auf eine gemeinsame Erklärung und die weitere Förderung von Projekten gegen den Rechtsextremismus einigen.

Die NPD dagegen hat angesichts der bevorstehenden Wahl allen internen Streit vertagt. Ihre Mitgliederzahl in Mecklenburg- Vorpommern ist in diesem Jahr um die Hälfte auf 300 gestiegen. Mit dem sächsischen NPD-Fraktionschef Holger Apfel hat die Bundespartei einen erfahrenen Wahlkampfchef nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt.

Und sie pumpt viel Geld in den Wahlkampf. Nach eigenen Angaben stehen der kleinen NPD 400.000 Euro zur Verfügung, etwa genauso viel wie den großen Parteien.

Fraglich ist, ob Aktivität und Geschlossenheit der Rechten anhält, wenn sie erst einmal im Landtag sitzen. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen anderes. Entweder zersplitterten ihre Fraktionen durch Streit und Austritte - wie ehemals bei der DVU in Sachsen-Anhalt und aktuell bei der NPD in Sachsen - oder sie verschwanden in einem Wahrnehmungsloch - wie die DVU in Brandenburg.

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