Süddeutsche Zeitung

NPD-Hetze im Wahlkampf:Ein Lied mit Himmler gegen Friedman

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Das Wahlkampflied der rechtsextremen NPD animiert zur Gewalt gegen Michel Friedman - für den Ex-Vizechef des Zentralrats der Juden ein weiterer Grund, die Partei zu verbieten.

Oliver Das Gupta

Ein kaum kaschierter Gewaltaufruf gegen Michel Friedman, Hetze gegen Grünen-Chef Cem Özdemir, dazu offene Sympathie für den Wehrmachtsgeneral Erwin Rommel und SS-Chef Heinrich Himmler - das "Wahlkämpfer-Lied" der NPD enthält Entgleisungen, die bei Friedman, dem Zentralrat der Juden und den Grünen heftige Reaktionen hervorrufen.

Wie ein harmloser Song eines Liedermachers klingt das Stück zunächst, das die NPD auf ihrer Homepage platziert hat. Zu den Klängen einer akustischen Gitarre stimmt die Interpretin "Karin" die Weise an vom fleißigen NPD-Aktivisten, der unermüdlich Handzettel der rechtsextremen Partei verteilt. "Auch nachts gehen wir noch retten, was sich retten lassen mag", trällert die Frau.

Kurz vor Schluss des nicht einmal zwei Minuten dauernden Stückes ist es mit der aufgesetzten Harmlosigkeit vorbei. Der Flugblatt-Verteiler wird belehrt: "Bei Himmler, Voigt und Rommel, da wirft man gerne ein."

Heinrich Himmler war als Reichsführer-SS neben zahlreichen anderen Verbrechen für den Bau und Betrieb der Konzentrationslager zuständig - und damit hautptverantwortlich für den Holocaust an den Juden Europas. Generalfeldmarschall Erwin Rommel avancierte als "Wüstenfuchs" zum Kriegshelden des NS-Staates. Spät konspirierte er gegen Diktator Adolf Hitler - nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er zum Selbstmord gezwungen.

Neben den beiden Namen aus der Nazizeit wird mit "Voigt" der amtierende NPD-Vorsitzende genannt: Udo Voigt wird bewusst in eine Linie mit Hitlers General und Hitlers Exekutor gestellt.

NPD lässt von der "Heimreise Özdemirs" trällern

Weiter heißt es in dem Lied: "Briefkastendeckel trommelnd, hau ich Friedman eine rein" - eine kaum verhohlene Aufforderung zur Gewalt gegen den Frankfurter Publizisten, der einst Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland war.

"Ich fühle mich durch dieses Lied bedroht", sagt Friedman im Gespräch mit SZ.de. Dies sei keine "Kleinigkeit": Die NPD zeige mit dem Werk ihr Gesicht - "ihre hässliche, antisemitische und gewaltauffordernde Fratze". Friedman warnt vor "unberechenbaren Trittbrettfahrern", die durch das Lied aufgestachelt werden können.

Und: Friedman erwartet, dass der Staat "alle Schutzmittel" zu seiner Sicherheit einsetze.

Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden, bezeichnet im Gespräch mit SZ.de die Hetze gegen Michel Friedman als nicht hinnehmbar. "Stoppt die Neonazis mit allen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen!", fordert Knobloch.

In dem NPD-Lied wird auch gegen den türkischstämmigen Grünen-Chef Cem Özdemir gehetzt: Die Sängerin singt vom "Lesestoff zur Heimreise Özdemirs".

Der in Baden-Württemberg aufgewachsene Politiker äußerte sich zu der Causa zunächst nicht, wohl aber die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke: "Die NPD zeigt mit ihrem Wahlkampflied ungeschminkt ihre rassistische, antisemitische und rechtsextremistische Grundhaltung", so Lemke in einer Erklärung. "Immer öfter und schamloser lässt die Partei ihre Maske fallen."

Die Grünen-Politikerin hofft, dass die zuständige Staatsanwaltschaft wegen des Liedes gegen die NPD zügig Ermittlungen einleitet.

Auch TV-Moderator Friedman setzt darauf, dass Polizei und Staatsanwaltschaft tätig werden. Nicht nur der Gewaltaufruf gegen ihn, sondern möglicherweise auch die "Verherrlichung Himmlers" sei eine Straftat.

"Karins" Hetzlied ist für Friedman ein weiterer Beleg dafür, dass die NPD verfassungsfeindlich ist. Deshalb müsse "in aller Klarheit überprüft werden, ob diese Partei nicht doch verboten werden kann".

Einschüchtern lasse er sich von den Rechtsextremisten durch "solche perfiden Angriffe nicht", sagt Friedman und setzt hinzu: "Ich werde weiterhin gegen diese Menschenverachter aktiv bleiben."

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