NPD-Finanzier Rieger tot:Keine Pilgerstätte für Neonazis

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Die rechte Szene rätselt über das Testament von Jürgen Rieger. Der verstorbene Rechtsextremist war vor allem mit Immobiliengeschäften reich geworden. Nun äußert sich sein Sohn.

Matthias Kolb

Im Weltnetz, wie sie das Internet nennt, hat die NPD schon offiziell reagiert. Der Parteichef Udo Voigt schreibt noch am Donnerstagabend, kurz nachdem der Tod von Jürgen Rieger bestätigt wurde, eine Stellungnahme auf der Website der rechtsextremen Gruppierung. Rieger, einer von Voigts Stellvertretern, sei "ein Fels in der Brandung unserer stürmischen Zeit" gewesen.

Er ist im Alter von 63 Jahren gestorben: Der umstrittene NPD-Vize und Rechtsanwalt Jürgen Rieger. (Foto: Foto: dpa)

Er habe den 63-Jährigen nach dessen Schlaganfall noch im Krankenhaus auf der Intensivstation besucht, doch Voigts nach eigener Aussage "festen Händedruck" habe Rieger nicht mehr erwidern können. Er sei nicht sicher, so Voigt weiter, ob der Anwalt noch mitbekommen habe, wie sich Voigt unter Tränen verabschiedet habe.

Die ein oder andere Träne werden die NPD-Funktionäre dem Verstorbenen nachweinen, denn ohne seine finanzielle Hilfe hätte die rechtsextreme Partei viele Wahlkämpfe kaum finanzieren können. Rieger hat nach eigenen Angaben mehreren Landesverbänden fast eine halbe Million Euro geliehen.

Deswegen beschäftigen die rechtsextremen Strategen wohl weniger die in diversen Foren kursierenden Verschwörungstheorien, sondern eher die Frage, ob der Hamburger Anwalt ein Testament verfasst hat und wen dies begünstigt. Rieger, der vom Verfassungsschutz als "Neonazi" geführt wird, hat vier Kinder, er war zwei Mal verheiratet und zuletzt mit einer Lebensgefährtin zusammen.

Nach den Worten eines Sohnes wünsche die Familie nicht, dass das Grab des Verstorbenen zu einer Pilgerstätte der rechten Szene wird. Deswegen werde an eine Feuer- oder Seebestattung gedacht, sagte dieser der dpa. Dabei hatte sein Vater jahrelang den Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Wunsiedel organisiert, um Hitlers Stellvertreter zu gedenken, und dafür gesorgt, dass Heß' Grab zu einer Pilgerstätte der Rechten wurde. Keines der vier Kinder Riegers teilt die Ansichten des Vaters.

Wie Rieger zu seinem Millionenvermögen kam, ist in Grundzügen bekannt. Der nun posthum zum "Anwalt für Deutschland" verklärte Rieger profitierte von zahlreichen Erbschaften: Frühere NSDAP-Mitglieder überließen dem Juristen teils schon zu Lebzeiten ihre Immobilien oder vermachten ihm hohe Geldbeträge. Dass sich Rieger mit Erbrecht bestens auskannte und seine Rolle als Verteidiger von Rechtsextremen für spektakuläre Auftritte und Holocaustleugnung nutzte, half ihm ebenso wie die Tatsache, dass er in Blankenese im konservativen Bürgertum gut verdrahtet war - etwa als stellvertretender Vorsitzender der "Blankeneser Grundeigentümer-Vereins".

Das Geld legte er meist im Ausland in Stiftungen an. Am bekanntesten ist die "Wilhelm Tietjen Stiftung", die im Londoner Handelsregister steht. Tietjen war ein bekennender Nationalsozialist aus Bremen, der Rieger mehr als eine Million Euro vererbte, damit dieser die Fruchtbarkeitsforschung fördern konnte. Nach Recherchen der Rechtsextremismus-Experten Andrea Röpke und Andreas Speit träumte der 1903 geborene Tietjen, den Nachbarn als geizigen "Waldschrat" charakterisierten, von einem neuen "Lebensborn".

Wiederholt sorgte Rieger in den letzten Jahren für Aufsehen, wenn er selbst Immobilien kaufen wollte. Neben einem großen Anwesen in Schweden besitzt er unter anderem eine Villa im Hamburger Nobelvorort Blankenese sowie ein Haus in Hamburg-Harburg, das der Verein "Mütterdank" nutzt. In Nord- und Ostdeutschland kündigte Rieger wiederholt an, leerstehende Häuser kaufen und in Schulungszentren oder Szene-Treffpunkte umzuwandeln - etwa im niedersächsischen Faßberg oder dem thüringischen Pößneck.

Das umstrittene Hotel in Faßberg. (Foto: Foto: dpa)

Meist protestieren Anwohner und Lokalpolitiker, in mehreren Fällen kaufte die Kommune die Immobilie zu einem höheren Preis. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass Rieger mit den Vorbesitzern zusammenarbeitete, um den Kaufpreis in die Höhe zu treiben - im Gegenzug soll die NPD Spenden erhalten haben. Verurteilt wurde Rieger jedoch nie. Zuletzt scheiterte er mit dem Versuch, in Wolfsburg ein "Kraft durch Freude"-Museum zu eröffnen.

Schon 1978 hatte Rieger in der Lüneburger Heide ein Schulungszentrum gegründet, das bis zu seiner Schließung im Jahr 1998 als wichtiger Treffpunkt galt. Das Anwesen "Hetendorf 13" wurde über die "Heide-Heim-Vereine" finanziert, bis die Regierung unter Gerhard Schröder die Trägervereine enteignen ließ.

Auch der Verfassungsschutz wird die Erbregelung genau im Auge behalten. Marion Brandenburger, Sprecherin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir werden mit Rieger über seinen Tod hinaus zu tun haben."

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