Süddeutsche Zeitung

NPD:Der Grad der Giftigkeit

Die Neonazi-Partei ist parlamentarisch ein Zwerg - aber ein Giftzwerg. Welche Rolle spielt sie bei Hass und Hetze? Befruchtet und befördert sie Gewalt? Darum geht es nun beim Parteiverbot.

Von Heribert Prantl

Als Karlsruhe das erste Parteiverbot verhängte, war die Bundesrepublik erst drei Jahre alt; verboten wurde 1952 die Sozialistische Reichspartei, SRP. Als das zweite Parteiverbot verhängt wurde, war die Bundesrepublik sieben Jahre alt; verboten wurde die Kommunistische Partei Deutschlands, KPD. Beim dritten Parteiverbot, das jetzt näher rückt, wird die Bundesrepublik 67 Jahre alt sein; verboten wird, wie es aussieht, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD.

Man kann sich fragen, ob dieses Verbot wirklich notwendig ist. Sind die Bundesrepublik und ihre Demokratie im siebten Jahrzehnt nicht alt, stabil und gefestigt genug, um so eine verfassungsfeindliche Partei auszuhalten? Natürlich sind sie es. Aber die Menschen, gegen die die Neonazis hetzen, sind nicht so stark; sie sind verletzlicher; sie sind verwundbarer. Ihretwegen jedenfalls ist das Verbot notwendig. Das Verbot ist auch vorbeugender Opferschutz.

Hass und Hetze - da gibt es heute noch ganz andere Kürzel als NPD

Die Demokratie soll wehrhaft sein. Als der NSU zehn Menschen ermordet hat, war sie gar nicht wehrhaft. Sie hat die Opfer nicht schützen können, sie hat es damals nicht einmal richtig versucht. Heute werden Häuser angezündet, die für Flüchtlinge hergerichtet sind. Das Verfassungsgericht wird feststellen müssen, ob die "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" der NPD solchen Gewalttaten Vorschub geleistet hat und leistet, ob also die NPD Gewalt befruchtet. Wenn es so ist, darf der Staat nicht länger den Mantel des Parteienprivilegs über die NPD breiten. "Es könnte sein, dass die rechtsextreme Politik und die rechtsextremen Verbrechen die zwei Seiten einer braunen Medaille sind": So hat es der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer 2013 formuliert. Sein Senat hatte 2003 das erste Verbotsverfahren gegen die NPD eingestellt, weil in deren Leitungsgremien so viele staatliche V-Leute vertreten waren. Das Verfahrenshindernis von damals scheint heute ausgeräumt zu sein, sonst hätte Karlsruhe nun nicht das Hauptsacheverfahren eröffnet und Termine zur mündlichen Verhandlung anberaumt.

Wenn es heute um Hass und Hetze geht, fallen einem freilich noch ganz andere Kürzel ein als "NPD". Es wird zu den Aufgaben des Verfassungsgerichts gehören, festzustellen, welche Verbindungen es etwa zwischen Pegida und NPD gibt, ob und wie die NPD solche Bewegungen beeinflusst. Welche Rolle spielt die NPD, wenn Bürgermeister im Osten aus dem Amt gemobbt und Sozialarbeiter bedroht werden? Welche Rolle spielt die NPD, wenn gegen Migranten gehetzt wird? Es ist ein himmelschreiender Vorgang, wenn von Neonazis "national befreite Gebiete" ausgerufen werden, die "flüchtlingsfrei" gehalten werden sollen. Und es ist gut, wenn ein solcher Schrei das Verfassungsgericht alarmiert.

Die NPD war, was die Außenwirkung betrifft, schon mal stärker: Sie hat Finanzprobleme; die Mitgliederzahlen sind gesunken, die Wahlprozente auch; es gibt interne Zwistigkeiten. Sie mag parlamentarisch ein Zwerg sein; sie ist aber ein Giftzwerg. Der Grad der Giftigkeit ist Thema der Beweisaufnahme des Verfassungsgerichts.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2772829
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.12.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.