NPD:Anstelle eines Parteiverbots

Die Länder suchen einen Weg, der NPD zumindest den Geldhahn zuzudrehen - das geht nur mit einer Grundgesetzänderung.

Von WOLFGANG JANISCH, Karlsruhe

Es hat, wie zu erwarten, nicht lange gedauert. Im NPD-Urteil vom 17. Januar hatte das Bundesverfassungsgericht signalisiert, der rechtsextremen Partei dürfe die Parteienfinanzierung gestrichen werden - vorausgesetzt, das Grundgesetz werde entsprechend geändert. Nun hat der Bundesrat auf Initiative von Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und dem Saarland den Startschuss zu einer Verfassungsänderung gegeben. "Ich setze mich dafür ein, verfassungsfeindliche Parteien möglichst umfassend von öffentlichen Leistungen auszuschließen", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die dem Bundesrat vorsitzt.

Und es könnte schnell gehen. Jedenfalls hält Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Änderung noch in dieser Legislaturperiode für machbar, wie er der Rheinischen Post sagte. Doch namentlich der Antrag Niedersachsens lässt Zweifel daran aufkommen, ob wirklich Eile geboten ist - oder nicht doch eher Sorgfalt. Man benötige "rechtssichere Formulierungen", mahnte Renate Künast (Grüne), Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag.

Bevor die Finanzierung gestoppt werden kann, muss das Grundgesetz geändert werden

Niedersachsens Vorschlag ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Vom Geldfluss abgehängt werden sollen Parteien, "die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen". Das ist eine erstaunlich wachsweiche Formulierung, wenn man sich in Erinnerung ruft, was für ein anspruchsvolles Konzept von "Verfassungsfeindlichkeit" die Verfassungsrichter entworfen haben; die NPD steht danach im Widerspruch zur Menschenwürde-Garantie sowie zu Demokratie und Rechtsstaat. Weil ein solches Gesetz ein tiefer Eingriff in die Freiheit der Parteien wäre, müsste es die Voraussetzungen für den Entzug von Staatsgeldern sehr präzise formulieren. Das ist machbar - wie, das haben Malu Dreyer wie auch Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Regierungschefin des Saarlands, angedeutet: enge Orientierung an der Karlsruher Rechtsprechung. Nur müsste sich das auch im Gesetz niederschlagen; Gelder zu streichen, weil jemand "Bestrebungen" verfolgt, dürfte in Karlsruhe kaum akzeptiert werden.

Kaum haltbar dürfte überdies die Idee Niedersachsens sein, den Bundestagspräsidenten über den Entzug der Finanzierung befinden zu lassen. Aus der Bundestagsverwaltung wird bereits kolportiert, dort halte man dies für völlig undenkbar. Tatsächlich wäre das Streichen der Staatsgelder, die bei der NPD zuletzt mit 1,3 Millionen Euro den größeren Teil ihrer Einnahmen ausmachten, so etwas wie ein kleines Parteiverbot. Schaut man sich an, wie rechtsstaatlich skrupulös das echte Verbotsverfahren ausgestaltet ist - allein das Bundesverfassungsgericht ist zuständig -, dann mutet es seltsam an, einem Politiker den Erstentscheid über das "Parteiverbot light" zu überlassen.

Schließlich die gerichtliche Kontrolle: Niedersachsen sieht das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als erste und letzte Instanz. Das liegt nicht unbedingt in der Logik des NPD-Urteils. Denn danach kommt ein Entzug der Gelder nur in Betracht, wenn die Verfassungsfeindlichkeit der Partei feststeht, aber deren Potenzial zur Umsetzung ihrer Pläne nicht ausreicht. Es ist also ein Beinahe-Verbot, das allein an der Winzigkeit der Partei scheitert. Nach dem bisherigen Verständnis von Parteienfreiheit - einem Grundpfeiler der Demokratie - gibt es nur eine Instanz, die dazu befugt ist: das Bundesverfassungsgericht.

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