Novemberrevolution 1918:"Meine Abdankung würde der Anfang vom Ende sein"

Am 9. November 1918 wird Kaiser Wilhelm II. vom Volk gestürzt - und das ist nur der Anfang gewaltiger Umwälzungen, die Deutschland bis heute prägen. Bilder einer stürmischen Zeit aus dem SZ-Archiv.

Von Barbara Galaktionow

Kaiser unter Druck

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(Foto: SZ Photo)

Im Herbst 1918 ist das Deutsche Reich am Ende - militärisch und moralisch. Der Erste Weltkrieg ist verloren, die Versorgungslage im Reich kritisch und die politischen Spannungen sind enorm. Der deutsche Kaiser und König von Preußen will das allerdings nicht wahrhaben. "Ich danke nicht ab", bekräftigt Wilhelm II. noch am 1. November 1918. "Meine Abdankung würde der Anfang vom Ende aller deutschen Monarchien sein." Nur wenige Tage später, am 9. November 1918, verkündet Reichskanzler Max von Baden Wilhelms Thronverzicht. Wilhelm flieht in die Niederlande und dankt dort später ab. Foto: Der deutsche Kaiser (Mitte) mit Paul von Hindenburg (links) und Erich von Ludendorf bei einer Lagebesprechung 1918.

Die Matrosen meutern

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Der deutsche Kaiser wird damit überrollt von einer Entwicklung, die am 29. Oktober in Wilhelmshaven beginnt. Obwohl die Führung der Marine selbst nicht damit rechnet, "dass hierdurch der Lauf der Dinge eine entscheidende Wendung erfährt", will sie die Flotte zu einer Entscheidungsschlacht gegen die Royal Navy entsenden, aus "moralischen Gesichtspunkten" - ein Plan, der einem Selbstmordkommando gleicht. Die Matrosen weigern sich auszulaufen. Hunderte werden verhaftet, Teile der Flotte schließlich in den Heimathafen Kiel zurückgeschickt. Foto: Matrosen auf einem besetzten Schiff im Kieler Hafen.

Erste Räte in Kiel

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In Kiel spitzt sich die Situation weiter zu. Bei einer von mehreren Massenkundgebungen, auf denen die Freilassung der etwa 1000 Inhaftierten gefordert wird, werden sieben Demonstranten erschossen. Am 4. November kommt es zur offenen Revolte: Arbeiter- und Soldatenräte werden gewählt. Werftarbeiter schließen sich den Matrosen an. Die Gefangenen werden befreit. In einem 14-Punkte-Programm stellen die Kieler Revolutionäre Forderungen auf, die im Folgenden von Räten in ganz Deutschland übernommen werden, etwa die Rede- und Pressefreiheit oder politische Mitspracherechte für die Räte. Die Revolutionäre fordern die Bevölkerung dazu auf, Ruhe zu bewahren und Gewalt zu vermeiden.

Der Funke springt über

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Wenige Tage später kommt es auch in München zur Revolution, die ohne einen Mann nicht denkbar gewesen wäre: den aus Berlin stammenden Kurt Eisner (stehend). Der Führer der bayerischen USPD, der linken Abspaltung von den Mehrheitssozialdemokraten, weiß was er will und wie er es erreichen kann. Nach einer Massenkundgebung auf der Theresienwiese marschiert er mit seinen Anhängern zu den Kasernen im Norden der Stadt und bringt die Soldaten auf ihre Seite. Noch in der Nacht ruft Eisner den "Freistaat Bayern" aus. Foto: Kurt Eisner hält im Dezember 1918 eine Rede bei der Reichskonferenz der Arbeiter-und Soldatenräte Deutschlands in Berlin.

Berlin zieht nach

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Nun gibt es kein Halten mehr, in zahlreichen Landesteilen werden die Monarchien hinweggespült, wie in Kiel und München werden Räte gegründet. Und auch in Berlin heißt es am Morgen des 9. November in einem Flugblatt der Spartakusgruppe: "Was euren Genossen und Kameraden in Kiel, Hamburg, Bremen, Lübeck, Rostock, Flensburg, Hannover, Magdeburg, Braunschweig, München und Stuttgart gelungen ist, das muß auch euch gelingen." Und das wird es. Foto: Revolutionäre Truppen 1918 in Berlin auf dem Boulevard Unter den Linden

Abdankung? Nicht genug!

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(Foto: SZ Photo)

Am Morgen des 9. November beginnen in Berlin Massenstreiks und Großdemonstrationen. Hunderttausende sollen dem Aufruf der linken Gruppen und Gewerkschaften gefolgt sein. Doch die Unsicherheit ist zunächst groß, keiner weiß, wie der Tag ausgehen wird. Ob er von Kämpfen und Maschinengewehrsalven bestimmt sein wird oder friedlich endet, das hängt vor allem am Verhalten der Truppen. Doch wie zuvor bereits in München und an anderen Orten schließen sich die Soldaten den Aufständischen an. Foto: An der Spitze einer Gruppe von Revolutionären in Berlin 1918 marschiert ein Matrose mit der roten Fahne.

Jubel für die Republik

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(Foto: SZ Photo)

Das Überlaufen der Soldaten macht der bisherigen Regierung überdeutlich, dass es keine Hoffnung auf ein Durchhalten geben kann. Gegen Mittag verkündet Reichskanzler Max von Baden mehr oder weniger eigenmächtig die Abdankung des Kaisers. Am Nachmittag gibt SPD-Mitglied Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstags vor Tausenden Demonstranten den Zusammenbruch der Monarchie bekannt. Aber er benennt auch das Neue, das nun folgen soll: "Es lebe die deutsche Republik!" Die Menge jubelt. Dieses Foto von Philipp Scheidemann ist entstanden, als die Szene später nachgestellt wurde. Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gibt es kein authentisches Bildmaterial von Scheidemanns Auftritt.

Eberts Bedenken

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(Foto: SZ Photo)

Wer darüber nicht jubelt, ist der SPD-Vorsitzende, frisch ernannte Reichskanzler und spätere erste Reichspräsident Friedrich Ebert (auf dem Foto auf einem Presseempfang in Weimar 1919). Er zeigt sich entsetzt über den Vorstoß seines Genossen Scheidemann, der ihm deutlich zu weit geht: Ebert ist kein Freund der Republik. Was er sich wünscht, das hat er im Grunde genommen schon erreicht: die konstitutionelle Monarchie. Doch es ist zu spät, der Umsturz entfaltet seine ganz eigene Dynamik.

Liebknecht wünscht "Vollendung der Weltrevolution"

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(Foto: SZ Photo)

Unzufrieden mit Scheidemanns Proklamation ist auch Karl Liebknecht. Nur zwei Stunden nach diesem ruft der Kommunist vom Berliner Stadtschloss aus erneut die Republik Deutschland aus, allerdings die "freie sozialistische". Die eigentliche Revolution steht ihm zufolge noch bevor, eine "Regierung der Arbeiter und Soldaten" und die "Vollendung der Weltrevolution". Und das war nun gar nicht im Sinne der SPDler Ebert und Scheidemann, die sich daher mit der USPD auf die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung verständigten. Foto: Karl Liebknecht als Redner bei der ersten öffentlichen Veranstaltung der KPD in Berlin Ende 1918

Neue Ordnung, alte Feindschaften

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(Foto: SZ Photo)

Während in Deutschland kleine und große Monarchien gestürzt werden, verfolgt das Land gleichzeitig gebannt den Verlauf der Waffenstillstandsverhandlungen im französischen Compiègne. Die werden unter der harten Hand von Marschall Ferdinand Foch (2. von rechts) geführt. Foch, so die in Deutschland allgemein geteilte Einschätzung Max von Badens, erstrebe die völlige Demütigung Deutschlands. Und die Hoffnungen der Revolutionäre, dass die neue Ordnung im Deutschen Reich daran etwas ändern werde, erfüllen sich nicht. Als am 11. November 1918 in einem Eisenbahnwagen im Wald von Compiègne der Waffenstillstand zwischen Frankreich, Großbritannien und Deutschland besiegelt wird, hat Berlin allenfalls kleinere Zugeständnisse erhalten. Foto: Vertreter der alliierten Mächte im Wald von Compiègne

Frauen endlich an die Urnen

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(Foto: SZ Photo)

Und noch eine Revolution in der Revolution bringt der November 1918 mit sich: Nur drei Tage nach dem Umsturz in Berlin entscheidet die neue Regierung, dass künftig auch Frauen das Wahlrecht haben werden. Wofür Frauen seit Jahrzehnten gekämpft haben - nun wird es endlich wahr. Am 19. Januar 1919 geben Frauen in Deutschland bei der Wahl zur Nationalversammlung erstmals auf nationaler Ebene ihre Stimme ab. Mehr als 80 Prozent der weiblichen Wahlberechtigten lassen sich dieses Mitbestimmungsrecht nicht entgehen. 37 werden selbst ins Parlament gewählt. Foto: Eine Wahlversammlung 1919 mit zahlreichen Frauen, Ort nicht genannt Verwendete Literatur: Robert Gerwarth: Die größte aller Revolutionen. November 1918 und der Aufbruch in eine neue Zeit, Siedler, München 2018 Sebastian Haffner: Die deutsche Revolution 1918/1919. Knaur, München 1991

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