Notfallplan der Bundesregierung:Einigkeit im Krisenmodus

Bundestag - Regierungserklärung zu Coronavirus

Gesundheitsminister Jens Spahn gibt im Bundestag seine Regierungserklärung zum Coronavirus ab.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Seltene parteiübergreifende Harmonie im Bundestag: Gesundheitsminister Spahn erklärt den Abgeordneten seinen Notfallplan - und erntet großen Applaus.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Es wird viel applaudiert nach der Regierungserklärung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Coronavirus in Deutschland. Die Abgeordneten klatschen für das medizinische Personal, für alle Ärzte und Pfleger, immer wieder. Denn fast alle Redner in dieser Debatte sind erst einmal voll des Lobes für die Helfer, aber auch für den Minister Spahn. "Diese Bundesregierung hat alles richtig gemacht", sagt die Gesundheitspolitikerin der Grünen, Kordula Schulz- Asche. "Klarheit, Besonnenheit und Transparenz", bescheinigt FDP-Chef Christian Lindner der Regierung. Die Gesundheitsbeauftragte der Union, Karin Maag, sagt: "Danke, Herr Minister."

Spahn hatte zu Beginn in gedämpftem Ton die Lage geschildert. "Unsere Strategie ist weiterhin, die Ausbreitung von Corona einzudämmen", sagte er. An diesem Mittwochvormittag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 240 Krankheitsfälle, am Dienstagnachmittag waren es noch 196. Inzwischen hat sich die Epidemie auf 15 Bundesländer ausgebreitet. Besonders in Baden-Württemberg nahm die Zahl der Fälle zuletzt deutlich zu. Am stärksten ist aber nach wie vor Nordrhein-Westfalen betroffen mit inzwischen 111 Patienten. "Die nächste Stufe", sagte Spahn, sei, die medizinischen Kapazitäten auf schwerer Erkrankte zu konzentrieren. Planbare medizinische Eingriffe würden dann verschoben. "Noch sind wir nicht an diesem Punkt", sagt Spahn: "Mir ist wichtig, klar zu sagen was kommen kann."

"Die Folgen von Angst können weit größer sein als die durch das Virus selbst", sagt Spahn

Auch der Minister spart nicht mit Lob. Seines gilt, neben den Medizinern, auch den Ländern und Kommunen, für die der Umgang mit dem Virus nicht einfach sei. "Es ist richtig, dass wir nicht von Berlin aus zu entscheiden haben, ob in Heinsberg eine Schule geschlossen wird", sagt er.

Die kommenden Wochen nennt Spahn "eine Herausforderung". Bereits jetzt komme es für die Bevölkerung zu Einschränkungen des Alltags. Wichtig sei nun, "einander auch unter Stress zu vertrauen" und die Entscheidungen von Sicherheitsgedanken und nicht von wirtschaftlichen Interessen leiten zu lassen. "Die Folgen von Angst können weit größer sein als die durch das Virus selbst", warnt er. "Bleiben Sie besonnen. Strafen Sie diejenigen, die versuchen, Angst und Falschmeldungen zu verbreiten, mit Nichtbeachtung." Es folgt Applaus. Am längsten klatschen die Unionsabgeordneten, und die Kanzlerin raunt Spahn beim Verlassen des Plenums so nette Worte zu, dass er mit einem breiten Grinsen auf seinen Platz auf der Regierungsbank zurückkehrt.

An diesem Vormittag hatte der Krisenstab der Bundesregierung schärfere Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus ergriffen. Sie hatte einen Ausfuhrstopp für medizinische Schutzausrüstung wie Atemmasken veranlasst und entschieden, diese Materialien zentral zu sammeln. Auch viele Abgeordnete sprechen darüber, wie wichtig es jetzt sei, Mediziner vor einer eigenen Ansteckung zu schützen, und über den Engpass an Schutzausrüstung in Deutschland. Zudem warnen einige von ihnen vor Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln, die sich nun verschärfen könnten, weil China einer der wichtigsten Wirkstoffproduzenten ist und selbst mit Corona ringt. Es bestehe "das Risiko, dass sich die Wirtschaft schneller infiziert als die Menschen", sagt Unions-Fraktionsvize Georg Nüsslein. FDP-Chef Lindner fordert einen "Krisenstab von Altmaier und Scholz", in dem die Bundesregierung über wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen berät, so wie Kurzarbeit.

Die AfD, in Form der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel am Rednerpult, nutzt das Coronavirus unterdessen für ihre Lieblingsthemen. Weidel fordert - dieses Mal Corona-bedingt - einen "Einreisestopp an den Grenzen". Sie warnt vor Migranten, die nun "in Marsch gesetzt" würden - "ausgerechnet jetzt". Sie fordert Fieberkontrollen an Flughäfen und mahnt, die Bundesregierung mache sich der "fahrlässigen Körperverletzung" schuldig.

Menschen, die das Coronavirus übertragen, haben häufig gar kein Fieber, entgegnet SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas: "Fiebermessen macht keinen Sinn". Der CDU-Politiker Rudolf Henke holt weiter aus: "Sie sehen in dieser Krise eine weitere Chance dafür, die Gesellschaft zu spalten", ruft er Weidel zu. "Sie lügen die Bevölkerung schlicht und einfach an. Sie wollen spalten." Und sich spalten lassen, das will dieser Bundestag im Krisenmodus heute auf keinen Fall.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: