Wäre die DDR ein Mensch, sie läge in einem Grab. Es gibt nicht wenige Menschen, die dieses Grab gelegentlich aufsuchen, um darauf zu urinieren.
Andere kommen und bringen etwas zu üppige Kränze mit, über Tote nur Gutes! Und dann gibt es schließlich Menschen, die sich als treue Grabpfleger verstehen, sie kommen ohne Hass, aber mit freundlich-kritischer Verbundenheit.
Kurzes Schnippschnapp am Efeu, ein paar Gedanken und Erinnerungen. Und dann: tschüss, alter Gefährte, bis zum nächsten Mal. In diese Kategorie sind mit etwas Nachsicht die Herren Gregor Gysi und Friedrich Schorlemmer einzusortieren, der eine Rechtsanwalt und Politiker, der andere Theologe und als solcher Seelenflüsterer.
Gysi und Schorlemmer gehören zur Gruppe der Vielsprecher unter den Menschen und in dieser wiederum zur Untergruppe derer, die nicht nur viel sprechen, sondern manchmal auch Interessantes sagen. Da ist der Gedanke kein schlechter, beide ein Gespräch führen zu lassen und selbiges hernach als Buch zu veröffentlichen.
Es ist darüber hinaus kein schlechter Gedanke, dieses Gespräch von Hans-Dieter Schütt moderieren zu lassen, einst (Chef-)Redakteur der Jungen Welt, später beim Neuen Deutschland. Müsste man sich für Schütt und dessen Kerbholz-Profil in Sachen Interview-Erfahrung einen blöden Titel einfallen lassen, man könnte ihn mit einiger Übertreibung als Günter Gaus des Ostens bezeichnen.
Wo wir gerade bei den blöden Titeln sind: Schorlemmer ist eine Art Psalm-Öhi, er hat beeindruckend weite Teile so abrufbereit im Oberstübchen wie andere nur den "Zauberlehrling". Und zu Gysis rhetorischer Kraft ist dem Allbekannten als Update im Grunde nur hinzuzufügen, dass er unter jüngeren Menschen dann und wann zum Youtube-Star avanciert, seine Reden aus dem Bundestag werden ordentlich geliked und verlinkt.
In ihrem Gesprächsband nun schauen Gysi und Schorlemmer auf die DDR zurück und auf ihr beider Leben darin. Das ist wertvoll für all jene, die sich für Gysi und Schorlemmer interessieren oder die, wichtiger noch, ihr DDR-Bild nicht allein von Gehässigkeit und Kitsch bestimmt wissen wollen. Nicht wenigen werden diese Erinnerungen zu freundlich sein, undifferenziert sind sie deshalb nicht.
Zu wünschen wäre allerdings gewesen, dass Schütt bei diesem Pingpong ins Gestern für mehr Struktur oder wenigstens mehr Streit gesorgt hätte. Denn auch das ist dieses Gespräch: sehr nett und durcheinander.
Täuschen lassen sollte man sich zudem nicht von seiner Aufmachung. "Was bleiben wird", heißt der Band, untermalt von einem recht dusseligen Foto (Gysi und Schorlemmer stehen auf einem Dach, beide folgen mit ihren Augen dem Fingerzeig des Predigers in die Ferne).
Die Hochrechnung des Erlebten auf die Zukunft aber erfolgt nur matt und in Ansätzen. Dabei ließen sich aus genau dieser titelgebenden Phrase doch lohnende Fragen ableiten, etwa diese: Wenn nicht alles schlecht war, was genau war denn gut? Die Debatte darüber kommt allzu oft nicht über Polikliniken (heißen jetzt Ärztehäuser) und Spreewaldgurken hinaus. Gysi und Schorlemmer leisten hier leider keinen wesentlichen neuen Beitrag.