Am Morgen ist es der Bundesverteidigungsminister, der den Ton setzt. Im Deutschlandfunk wird Boris Pistorius gefragt, was er von den neuen Berichten über die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines hält. Mit "großem Interesse" habe er sie zur Kenntnis genommen, sagt der SPD-Politiker. Jetzt müsse man aber erst "mal abwarten, was sich davon wirklich bestätigt", mahnt er. Interesse und Vorsicht - das trifft die Stimmung in Berlin nach dem Bericht der New York Times über Geheimdiensterkenntnisse, wonach eine "proukrainische" Gruppe hinter den Anschlägen stehe, und Recherchen von ARD, SWR und Zeit mit Details zum möglichen Hergang der Anschläge. Seit Anfang Oktober ermittelt der Generalbundesanwalt in der Sache. Die Ergebnisse könnten einiges an politischem Sprengstoff enthalten und werden mit entsprechender Spannung erwartet. Tatsächlich bestätigt die Bundesanwaltschaft am Mittwochmorgen, dass sie im Januar ein verdächtiges Schiff habe durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte.
Je nachdem, wohin die Spuren führen, muss die Bundesregierung mit Komplikationen rechnen. Das gilt sowohl für den Fall, dass staatliche Stellen eines Verbündeten involviert wären, als auch in einer Konstellation, in der die Führung der Ukraine verwickelt wäre. "Die Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden", teilt die Bundesanwaltschaft dazu nur mit. Auch aus den Medienberichten geht das nicht hervor. "Es bringt uns nichts, auf der Grundlage von solchen Recherchen, die bestimmt mühsam und akribisch gemacht worden sind, jetzt darüber nachzudenken, welche Auswirkungen das auf unsere Unterstützung für die Ukraine hätte", stellt Pistorius klar.
"Natürlich verfolgen wir alle Berichte und auch alle Erkenntnisse, die es von unterschiedlichen Akteuren gibt, ganz, ganz intensiv", lässt auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) von Erbil im irakischen Kurdengebiet aus wissen. Zunächst müssten aber die zuständigen Behörden ihre Ermittlungen zu Ende führen. Dies sei nötig, damit "wir dann von Seite der Regierung aufgrund dieser Erkenntnisse dann auch Beurteilungen treffen können und nicht voreilig aus Berichten heraus Schlüsse für uns ziehen". Einig scheinen sich Pistorius wie Baerbock in der Erwartung zu sein, dass die Hintergründe der Pipeline-Anschläge nicht im Dunkeln bleiben, sondern aufgeklärt werden.
Auch die Opposition mahnt zur Zurückhaltung
"Die Ermittlungsbehörden arbeiten mit Hochdruck", sagt dazu der FDP-Fraktionsvize und künftige deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff. "Dass dabei allerdings Zwischenergebnisse veröffentlicht werden, kann dem Ermittlungserfolg schaden", warnt er. Welche Ergebnisse schlussendlich belastbar und vor allem beweisbar sein würden, sei "zurzeit ja noch völlig offen". Das wird auch in der Opposition so gesehen. "Die aktuellen Berichte bleiben Spekulationen, deren Gehalt nicht überprüfbar ist. Außenpolitische Rückschlüsse oder Konsequenzen sind daraus nicht ableitbar", sagte der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, der Süddeutschen Zeitung. Die neuen Berichte zeigten aber zweierlei: "Zum einen, wie verletzlich unsere kritische Infrastruktur ist, und zum anderen, wie schwach unsere Dienste in der Aufklärung sind." In beiden Bereichen müssten die deutschen Behörden "schneller und effektiver werden". Das gehöre "in das Pflichtenheft von Innenministerin Nancy Faeser und Verteidigungsminister Boris Pistorius".