Der Großalarm hat die Menschen in Mechernich aufgewühlt. Am Donnerstagabend warnt die Feuerwehr über Lautsprecher die Sammelgemeinde vor möglichen Gefahren im Leitungswasser: Nichts trinken, nicht duschen, nichts waschen! Supermärkte melden Panikkäufe, mehr als ein Drittel der knapp 30 000 Bürger sitzen auf dem Trockenen. Zuvor hatte eine Streife der Bundeswehr nahe ihrem Stützpunkt in der Nordeifel ein Loch in jenem Zaun entdeckt, der den städtischen Hochspeicher schützt – und der auch die Soldaten in der Bleiberg-Kaserne versorgt. Sabotage, gar ein Giftanschlag?
Am Freitagmorgen atmet Mechernich auf – Entwarnung: Wasserproben ergaben keine Hinweise auf eine Kontamination mit chemischen oder biologischen Stoffen; die Untersuchungen auf Keime oder Bakterien im Trinkwasser laufen noch. Inzwischen gab die Bundeswehr auch wegen des möglichen Einbruchs in die Luftwaffenkaserne Köln-Wahn Entwarnung, die Wasserproben hätten keine auffälligen Werte gezeigt. Hans-Peter Schick (CDU), seit einem Vierteljahrhundert Bürgermeister in Mechernich, kann im Interview bereits wieder lächeln.
SZ: Herr Bürgermeister, Sie wirken erleichtert.
Hans-Peter Schick: Ich bin enorm erleichtert, das stimmt. Inzwischen können wir chemische Schaderreger ausschließen. Wäschewaschen und Körperpflege sind wieder möglich. Aber andere Untersuchungen laufen noch, deshalb bitten wir die Bürger, das Wasser zum Trinken oder für die Zubereitung von Nahrung abzukochen.
Ihr Großalarm von gestern wirkt nun wie ein unfreiwilliger Test für den Ernstfall.
Der Krisenstab, die Warnungen an die Bevölkerung – das hat alles funktioniert. Wir haben das über Facebook, übers Lokalradio verbreitet und das Krankenhaus und die Seniorenheime informiert. Und die Feuerwehr ist mit Lautsprechern herumgefahren, um auch ältere Menschen zu erreichen, die nicht so oft ins Internet schauen. Wenn es eine Übung gewesen wäre, hieße die Bilanz: Es hat sehr gut geklappt.
Wann wurden Sie am Donnerstag informiert?
Das war so gegen 16.30 Uhr. Dann mussten wir abwägen, was wir tun. Das ist ja eine schwierige Geschichte, und in Zeiten, in denen keiner mehr Entscheidungen treffen will, bleibt das dann bei der Stadt und beim Bürgermeister hängen. Alarmiert haben wir dann so ab 20 Uhr. Und das war richtig.
Hat bei Ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt, dass Europa in der Ukraine wieder einen Krieg erlebt?
Die Vorgänge in Köln-Wahn haben eine große Rolle gespielt, ja. Unser Bundeswehrstandort ist mit Köln-Wahn eng verbunden. Wir haben hier Deutschlands größte Unter-Tage-Anlage. Das ist ein riesiges Lager, darin verschwindet ein Zug mit 40 Waggons. Alles, was gebraucht wird für Flugzeuge, Raketen oder Auslandseinsätze, wird aus Mechernich über Köln transportiert.
Sie hatten also das Wort „Zeitenwende“ im Hinterkopf?
Das konkrete Wort nicht – wohl aber die Gefahrenlage. Davor kann niemand die Augen verschließen. Wir wissen doch auch: Wenn jetzt sogar über Nukleareinsätze oder Atomschläge spekuliert wird, dann steht Mechernich recht weit oben auf Russlands Agenda. Ich hoffe, die verantwortlichen Politiker – auch Herr Putin – sind sich der Gefahren auch für das eigene Land bewusst.
Jetzt gibt es Stimmen, die fragen: Da war doch nichts – warum musste der Bürgermeister Alarm schlagen?
So ist das, so hat sich unsere Gesellschaft leider entwickelt. Sie können es nie allen recht machen. Mit dem Anspruch können Sie nicht Bürgermeister sein. Für mich gilt im Zweifel Vorsorge, Wasser ist unser Nahrungsmittel Nummer eins.
Jetzt kochen Sie zu Hause Ihr Kaffeewasser ab?
Zu Hause muss ich das nicht, weil ich im Bereich eines anderen Wassernetzes wohne. Aber im Rathaus mache ich das, da reicht die Temperatur der Kaffeemaschine nicht aus. Es müssen 100 Grad sein und sprudelnd kochen. Vorerst jedenfalls.