Süddeutsche Zeitung

Nordrhein-Westfalen:Visite per Mausklick

Im Frühjahr des nächsten Jahres soll in Nordrhein-Westfalen das bundesweit erste virtuelle Krankenhaus ans Netz gehen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) möchte, dass das Angebot Teil der Regelversorgung wird.

Von Jana Stegemann, Düsseldorf

"Es kann nicht die Sprechstunde für Oma Helga sein, die mal mit einem Professor reden will. Sondern wir müssen uns fragen, ob Oma Helga so krank ist, dass es nötig ist, den Professor zur Beratung hinzuzuziehen", sagte Karl-Josef Laumann, und veranschaulichte mit diesem Satz, was das erste virtuelle Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen leisten soll - und was nicht. Der NRW-Gesundheitsminister (CDU) stellte am Freitagmorgen in Düsseldorf seine Pläne für das bundesweit einzigartige Projekt vor, das im Frühjahr 2020 starten soll. Ziel sei es, eine digitale Plattform zu schaffen, die fachärztliches Wissen in ganz Nordrhein-Westfalen bündelt und für jeden - "ganz egal, ob die Leute in der Provinz oder neben einer Uniklinik wohnen" - zugänglich macht. Das virtuelle Krankenhaus soll unkompliziert und schnell telemedizinische Anwendungen wie Telekonsile, elektronische Visiten und Videosprechstunden ermöglichen.

Es geht Laumann und seinem Gründungsausschuss aber nicht darum, dass die 344 Krankenhäuser in NRW nun in kurzer Zeit mit allen 24 400 niedergelassenen Ärzten des Bundeslandes vernetzt werden. Sondern dass viel einfacher als bisher Kontakt zu Experten und Expertinnen sowie medizinischen Spitzenzentren wie den sieben Universitätskliniken hergestellt werden kann - ohne den Patienten oder die Patientin gleich im Krankenwagen persönlich vorbeizufahren. Im Idealfall funktioniert die Konsultation dann mit einigen wenigen Mausklicks. Der Experte soll per Videochat hinzugerufen werden und mit dem behandelnden Arzt und dem Patienten das weitere Vorgehen besprechen.

Telemedizin ist in Deutschland zwar schon seit Jahren im Einsatz, aber es gebe in diesem Bereich vor allem Leuchtturmprojekte, an denen nur einzelne Kliniken beteiligt seien, so Laumann. Diese seien jedoch nach einigen Jahren zumeist aus finanziellen Gründen beendet worden und nie flächendeckend im Einsatz gewesen, sagte der CDU-Politiker: "Wir wollen diese Einzelprojekteritis beenden."

Nach eigener Aussage hat der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister daher bereits mit den Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen gesprochen, diese hätten ihre Bereitschaft signalisiert, das digitale Krankenhaus mitzutragen. Bisher bleiben Kliniken zumeist auf den Kosten für solche Projekte sitzen. "Es soll Teil der Regelversorgung werden", wünscht sich Laumann, "denn die Digitalisierung gibt uns die große Chance, dass Wissen nicht endet, sondern räumlich unabhängig ist". In der ersten Anschubphase stellt Laumanns Ministerium für das Pilotprojekt zwei Millionen Euro zur Verfügung.

Um eine Überlastung des digitalen Dienstes zu verhindern, soll das virtuelle Krankenhaus aber nur in bestimmten Fällen konsultiert werden. Dazu zählten zum Beispiel die Verschreibung von Antibiotika oder Krankheiten mit einer hohen Sterberate, hieß es.

Dem Gründungsausschuss der digitalen NRW-Klinik gehören die Geschäftsführerin des Herz- und Diabetes-Zentrums NRW, die Vorstandsvorsitzenden und Ärztlichen Direktoren der Universitätskliniken Essen, Aachen und Münster sowie ein ehemaliger Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums an.

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Quelle:
SZ vom 10.08.2019
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